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Simultan gezeigte Szenen / Bildebenen / Logiken |
Simultan gezeigte Szenen / Bildebenen / LogikenDies ist ein Unterkapitel zum Kapitel über ➤➤➤ Bildvielheit ••• Vor allem im 16. Jahrhundert werden bei der Visualisierung von narrativen Texten aufeinanderfolgende Szenen simultan in einem einzigen Bild dargestellt. So werden Handlungszusammenhänge nicht zerrissen, sondern als zwingende Folge dargestellt.
••• Nebeneinander präsentierte Bild-Elemente können aus verschiedenen Sphären stammen. ⬇
••• Kontamination von verschiedenen kulturellen Kontexten ⬇ ••• Bilder, die auf derselben optischen Ebene Dinge visualisieren, die im Text auf zwei verschiedenen ("heterodiegetischen") Ebenen angeordnet sind: die Geschichte, in der ein Erzähler vorkommt – eine "metadiegetische" Geschichte, die er erzählt. ⬇ ••• Die Verfahren kommen auch in Kombination vor. ⬇ ••• Eine Erzählung und die darin handelnde Person prominent in ein einziges Bild gebracht ⬇ ••• Eine Szene enthält versteckt Elemente, die in der späteren Geschichten von Bedeutung sind ⬇ ••• Bildnerische Techniken, mit denen die Gegenstücke concomotiert werden ⬇ ••• Auch in wissenschaftlichen Illustrationen kommen solche Bilder vor ⬇ ••• Ein Problemfall: Die vielen Äpfel beim Sündenfall Weitere verwandte Beispiele im Kapitel Prozessdiagramme. Im ›Cartoon‹ / in der ›Bande dessinée‹ sind die Szenen durch Bilderrahmen voneinander getrennt, also nicht simultan dargestellt. |
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Die Phasen des Geschehens sind nicht (mit Rahmen) Szene-für-Szene abgetrennt und nacheinander dargestellt. |
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Fabel-Erzählungen••• Von der Königswahl der Frösche Der Staat der Frösche, die gleichberechtigt nebeneinander leben, verwildert ob ihrer Zügellosigkeit. Sie bitten Zeus um einen König. Dieser wirft einen Balken in den Teich. Nach dem ersten Schrecken herrscht Ruhe. Dann werden die Frösche aber wieder aufmüpfig und bitten Zeus um einen besseren König. Er schickt ihnen die Wasserschlange bzw. den Storch, die/der ihnen den Garaus macht.
••• Fuchs und Storch laden einander ein Bei der Einladung setzt der Fuchs dem Storch die Speisen in einer flachen Schüssel vor, so dass dieser sie nicht essen kann. Bei der Einladung des Storchs setzt dieser dem Fuchs die Speisen in einem halsigen Gefäß vor. (Phaedrus I,26).
Jean de la Fontaine (1621–1695) erzählt diese Fabel auch. – Grandville (1803–1847) visualisiert die beiden Szenen so, dass er die eine Geschichte auf dem Tischtuch präsentiert:
••• Der Vater, der Sohn und der Esel Wer es alles recht zu machen versucht, erleidet Schaden
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Bibelillustrationen: Sündenfall und Vertreibung aus dem ParadiesGenesis 3, Vers 6 und 23/24 (hier in der Luther-Übersetzung 1545) VND das Weib schawet an / das von dem Bawm gut zu essen were / vnd lieblich anzusehen / das ein lüstiger Bawm were / weil er klug mechte / Vnd nam von der Frucht / vnd ass / vnd gab jrem Man auch da von / Vnd er ass. DA lies jn Gott der HERR aus dem garten Eden / das er das Feld bawet / da von er genomen ist / Vnd treib Adam aus / vnd lagert fur den garten Eden den Cherubim mit einem blossen hawenden Schwert / zu bewaren den weg zu dem Bawm des Lebens.
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Bibelillustrationen: Kain und AbelGenesis 4,1–24: (hinten links im Bild:) Der Ackerbauer Kain (angeschrieben mit CAIM) opfert Gott Früchte, sein Bruder Abel, der Hirt, opfert Schafe. Darauf (mitte-rechts im Bild) erschlägt Kain Abel. (Oben:) Da sprach der HERR zu Kain: Wo ist Abel, dein Bruder? (ganz rechts): Kain zieht fort.
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Bibelillustrationen: Abraham und IsaakGenesis 22 berichtet von der Erprobung Abrahams, der auf Geheiß Gottes seinen einzigen Sohn Isaak opfern soll. (rechts zu Vers 6) Abraham nahm das Holz für das Brandopfer und lud es seinem Sohn Isaak auf. (links) Abraham streckte seine Hand aus und nahm das Messer, um seinen Sohn zu schlachten. … 11 Da rief ihm der Engel des HERRN vom Himmel her zu und sagte: […] 12 Streck deine Hand nicht gegen den Knaben aus und tu ihm nichts zuleide!
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Bibelillustrationen: Jakobs Leiter und die KulthandlungGenesis 28,11: Jakob kam an einen bestimmten Ort und übernachtete dort, denn die Sonne war untergegangen. Er nahm einen von den Steinen dieses Ortes, legte ihn unter seinen Kopf und schlief dort ein. 12 Da hatte er einen Traum: Siehe, eine Treppe / Leiter stand auf der Erde, ihre Spitze reichte bis zum Himmel. Und siehe: Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder. […] 18 Jakob stand früh am Morgen auf, nahm den Stein, den er unter seinen Kopf gelegt hatte, stellte ihn als Steinmal auf und goss Öl darauf. 19 Dann gab er dem Ort den Namen Bet-El - Haus Gottes Virgil Solis (1514–1562) stellt die beiden Episoden simultan dar; rechts: der schlafende Jakob / links: Jakob gießt Öl auf den Stein:
Holzschnitt von [Tobias Stimmer und ?] Christoph Murer (1558–1614)
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Bibelillustrationen: Samson und DelilaDamit Samson/Simson seine Stärke behalten kann, soll nie ein Schermesser an sein Haar gelangen. So besiegt er die Unterderücker Israels, die Philister, mehrmals. — Er verliebt sich in Dalila. Die Philister bestechen sie, damit sie Samson das Geheimnis seiner Unbezwingbarkeit entlockt. Wie er das Geheimnis verrät schneidet Delila dem Schlafenden die Haare ab und ruft die Philister herbei, die ihn blenden. — Wieder zu Kräften gekommen, bringt er den Tempel der Philister zum Einsturz, indem er sich gegen die Säulen stemmt. Mit den vielen Philistern kommt er selbst ums Leben. (Buch der Richter 16)
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Bibelillustrationen: IsebelHier handelt es sich nicht nur um zwei narrativ aufeinander folgende Szenen, sondern sogar um zwei Geschichten in unterschiedlichen Quellen: Isebel war die Ehefrau Ahabs, des Königs von Israel, eine Götzendienerin, die ihren Mann dazu aufstachelte, Böses gegen den Herrn zu tun. ... Als Ahab den Weinberg verlangte, den Nabot ihm zu verkaufen verweigerte, sorgte Isebel dafür, dass Nabot fälschlicherweise angeklagt und zu Tod gesteinigt wurde. Danach sagte sie ihrem Mann, er solle hingehen und sich den Weinberg aneignen. Der Prophet Elia sagt über Isebel voraus: ›Die Hunde sollen Isebel an der Vormauer von Jisreel fressen‹. (1. Kön 21,5–29). Als Jehu in die Stadt Jisreel kam, schaute Isebel – mit geschminktem Gesicht und geschmücktem Kopf – aus einem Fenster und verhöhnte ihn. Auf Jehus Frage hin, wer zu ihm halte, schauten drei Hofbeamte heraus. Er befahl, sie herunterzuwerfen. [oben im Bild] Sie warfen sie herunter, und ihr Blut spritzte an die Wand, und die Pferde zertraten sie. Als Jehu ihnen befahl, sie zu begraben, fanden sie nur noch ihren Schädel, ihre Füße und Hände [unten im Bild samt den sie auffressenden Hunden – aus der andren Bibelstelle!]. (2. Kön 9,7–37).
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Bibelillustrationen: TobiasIm (apokryphen) Buch Tobit (Vg. Liber Tobiae) wird erzählt: Tobit ist vom Kot von Vögeln, der ihm in die Augen gefallen ist, erblindet. (Tob 2,10f.) – Sein Sohn Tobias wird auf einer Reise vom Engel Rafaël begleitet. Auf dem Weg fängt Tobias einen Fisch, den er auf Anraten des Engels ausnimmt (Szene rechts in der Landschaft). Tobias heilt zuhause dann mit der Fischgalle die Blindheit des Vaters (Szene rechts im Haus).
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Bibelillustrationen: Jonas im großen FischJona(s) wird auf der Schiffsreise von den Seeleuten angeklagt, einen Sturm entfacht zu haben. Er schlägt vor, sich ins Meer werfen zu lassen. Das geschieht, und der Sturm hört auf. Jonas wird von einem großen Fisch verschlungen und nach drei Tagen ans Land ausgespien. Hanns Weygel d.Ä. (ca. 1520 bis ca. 1570) zeigt mehrere Szenen der Geschichte von Jonas simultan:
So auch Matthäus Merian (1593–1650):
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Antike Mythen: ArionGesta Romanorum, Hundertundachtundvierzigstes Capitel:
Gesta Romanorum, übers. Johann Georg Theodor Gräße, Leipzig 1905. Weitere, antike Stellen (ausführlicher) : Herodot, Historien I,23f. — Aulus Gellius, Noctes Atticae XVI,19. — Hygin, Fabulae 149. • Beispiel einer Illustration mit beiden Szenen simultan:
• Im Emblembuch von Alciato sind die Geizigen Thema; deshalb ist die Szene, wo Arion vom Schiff geworfen wird, im Vordergrund, während die Rettung durch den Delphin zurücktritt:
• Das Motiv ohne Doppelung der beiden Szenen in: Esopi appologi sive mythologi: cum quibusdam carminum et fabularum additionibus Sebastiani Brant, Basel: Jacob <Wolff> von Pfortzheim, 1501. • Beim Petrarcameister hat Arion verschiedene Kopfbedeckungen und spielt auf verschiedenen Instrumenten: Von der Arzney bayder Glück, des guten und widerwertigen, Augsburg, 1532. 1.Buch, Kap.23 = Fol. XXVII verso |
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Metamorphosen-IllustrationenOvid beschreibt in den »Metamorphosen« I, Verse 438ff. dies: Nach der großen Flut säen Deucalion und Pyrrha Steine, aus denen ein neues Menschengeschlecht wird. Aus Feuchte und Wärme der Erde entstehen unzählige Arten von Lebewesen, darunter auch die Schlange Python, die von Apollon getötet wird. Wie Apollo den Cupido einen Bogen spannen sieht, prahlt er mit dieser Tat. Cupido wettet, dass sein Pfeil sogar den Apollo besiege. Er erörtert die Wirkung der beiden Pfeile mit der goldenen (die Liebe entzündenden) und der bleiernen (die Liebe verscheuchenden) Spitze und verschießt sie auf Apollo und Daphne. Apollo sieht Daphne und ist sofort von der Liebe zu ihr ergriffen. Daphne enteilt, in der Flucht erscheint sie noch anmutiger, Apoll wird dadurch noch mehr angetrieben, sie zu verfolgen. Die Nymphe bittet ihren Vater, den Flussgott Penëus, sie zu verwandeln. Sofort findet die Metamorphose zum Lorbeerbaum statt. Apoll umschmiegt den Baum und gelobt, dass er ihm geweiht sein soll als Ehrenzeichen der Helden und Dichter.
Ovid lässt in den »Metamorphosen« IV, 769–804 Perseus erzählen, wie er Medusa ihr schlangenumwundenes Haupt abgeschlagen hat: Ihr Blicke versteinerte alles was ihr begegnete; doch Perseus betrachtete sie in einem spiegelnden Schild, der ihre Blicke unschädlich machte, und konnte sie so töten. Aus dem Blut der Medusa entsprang das geflügelte Pferd Pegasus. (links im Bild) Met. IV, 663–764 erzählt Ovid, wie Perseus die an einen Felsen gekettete und einem Ungeheuer (Vers 715: draco) zum Fraß hingegebene Andromeda im Sturzflug tötet. (rechts im Bild)
Ovid, Geschichte von Philemon und Baucis, »Metamorphosen« VIII, Verse 618 – 725. Jupiter und Hermes besuchen eine Stadt; niemand gewährt ihnen Obdach. Einzig ein altes Ehepaar – Philemon (›der Liebende‹) und Baucis (›die Zärtliche‹) – bewirtet die Wanderer freundlich in ihrer ärmlichen Hütte. Die beiden erahnen am sich stets neu füllenden Weinkrug, dass ihre Gäste Götter sind und wollen ihnen ein Opfer darbringen; ihre einzige Gans. Das wehren die Götter aber ab. Die Götter wollen die üblen Nachbarn strafen und das gastfreundliche Paar belohnen. Sie begleiten die beiden auf eine Anhöhe zu einem Tempel, während die ganze sonstige Gegend im Sumpf versinkt. Philemon und Baucis wünschen sich, dort Priester zu werden. Die Götter verwandeln sie am Ende des Lebens in Bäume.
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St. Gallus in der LegendeWalahfrid Strabo († 849) schreibt in der Vita des heiligen Gallus (Kap. 11): Gallus und ein Gefährte [Hiltibold] kamen zur Steinach, einem kleinen Fluss, wo Gallus sich niederlassen will. Sie fangen dort Fische, braten sie am Feuer und essen sie. Nachts – Gallus betet, während Hiltibold schläft – kommt ein Bär vom Berg herab und frisst die Essensreste auf. Gallus sagt zu dem wilden Tier: »Bestie, ich befehle dir im Namen des Herrn: Hole ein Stück Holz und lege es ins Feuer.« Der Bär gehorcht. Gallus gibt ihm daraufhin aus seiner Tasche einen Laib Brot und heisst ihn, das Tal zu verlassen und auf den umliegenden Hügeln zu leben, ohne Vieh und Menschen zu schaden.
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NovelleBoccaccio (1313–1375) erzählt in »De claris mulieribus« (1361/1362) im 72. Kapitel: Nach dem Sieg des römischen Heers über die Gallograeci wurde auch die Gattin des Königs Drigiagon gefangengenommen. Als aber der gefangenen haubtmann die schöne vnd plüende jugent der Künigin vermerckt/ ward er in vnordenlich liebe entzündet, so dass er sie notzüchtigt. Die Frau sinnt auf Rache, und wie der Freikauf der Gefangenen geschieht, ordnet sie an, dass der Täter geköpft werden soll. Das geschieht, und wie sie ihrem Mann wieder begegnet, erzählt sie von ihrer Schmach und wirft ihm das abgeschlagene Haupt vor die Füße.
Literaturhinweise: Kristina Domanski, Lesarten des Ruhms. Johann Zainers Holzschnittillustrationen zu Giovanni Boccaccios "De mulieribus claris", Köln/Weimar: Böhlau 2007 (ATLAS. Bonner Beiträge Zur Kunstgeschichte, Bd. 2). Irena Dubois-Reymond / Wolfgang Augustyn, "Frauen, berühmte (Giovanni Boccaccio"), in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. X (2010), Sp. 641–656; > http://www.rdklabor.de/w/?oldid=81621 |
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Geschichtsschreibung: Romulus und RemusLivius berichtet in seiner Chronik »Ab urbe condita« von den Zwillingen Romulus und Remus, dass sie eine Stadt gründeten und erbauten. Weil Remus seinen Bruder wegen eines Befestigungsgrabens, den er überspringen kann, verspottete, wurde er vom erzürnten Romulus erschlagen. Der Verleger der deutschen Livius-Ausgabe 1557 stellt verschiedene Holzschnitte zu einem zusammen: oben einen zum Thema Städtebau; unten rechts die Szene eines Totschlags. Unten links: Im lat. Text sagt Romulus nach dem Totschlag: So geschehe es in Zukunft jedem, der meine Mauern überspringt! (ab urbe condita I, vii, 2: Sic deinde, quicumque alius transiliet moenia mea.) — In der deutschen Bearbeitung wird daraus ein Weiser, der eine andere Moral von der Geschicht verkündigt: Dabey uns am ersten zuverstehen geben würt/ das ein yegklich Reich nit wol ein ebengenossen erleiden mag.
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Geschichtsschreibung: Wilhelm Tell und GesslerIm Vordergrund ist die Szene mit dem Apfelschuss dargestellt; im Hintergrund: Tell schießt auf den Landvogt Gessler.
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Geschichtsschreibung: Henry VIII.Eine üble Illustration enthält das Geschichtswerk von Johann Ludwig Gottfried (1584–1633). Im Vordergrund wird am 19. Mai 1536 Anne Boleyn enthauptet; im Hintergrund heiratet König Heinrich VIII. einen Tag später Jane Seymour.
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Dante zu Beginn des WegesDante (angeschrieben mit Banderolen, Tituli) erscheint drei Mal im selben Bild. Die Szenen beziehen sich auf Textteile des Canto primo des Inferno.
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Spezialfall: Phasen mit BewertungenDie Lebensphasen von Napoleon sind in prägnanten Phasen gezeichnet: Corsischer Knabe – Militair Schüler – Lieutenant – General – Consul – Kaiser – Abschied aus Spanien – Schlittenfahrt aus Moskau – Lebewohl aus Deutschland – Ende. Das jeweilige "soziale Kapital" ist für jede Phase durch die Höhe der Treppe visualisiert.
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Eine Erzählung und die darin handelnde Person prominent in ein einziges Bild gebrachtDas Beispiel: Der Israelit Josua, der die Stadt Jericho in Palästina erobern soll, schickt zwei Kundschafter (Spione) in die Stadt, die im Haus der Dirne Rahab unterkommen. Das bleibt nicht geheim, und der König von Jericho verlangt von Rahab die Herausgabe der Männer. Sie versteckt diese aber und lässt sie dann mit Hilfe eines Seils über die Stadtmauer entkommen (Buch Josua, Kapitel 2) Hier zunächst eine einfache Illustration zu Jos 2,15:
Hier die Kombination: Handlung im Hintergrund / Protagonistin (mit dem sie charakterisierenden Attribut) im Vordergrund:
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Eine Szene enthält versteckt bildnerische Elemente, die in der späteren Geschichte dann von Bedeutung sindErstes Beispiel: Veit Stoß (um 1477 bis 1533) zeigt in diesem Kupferstich Maria, die am Hemdchen des Jesuskindleins wirkt, und den Putativvater Joseph, der (aufgrund eines Hinweises in der Bibel: Matthäus 13,55; Markus 6,3) von Beruf Zimmermann gewesen sein soll:
Zweites Beispiel: Das Andachtsbild (23 x 30 cm) zeigt das Jesuskind auf dem Kreuz liegend, zum Text:
Vgl. dazu: Adolf Spamer, Das kleine Andachtsbild vom XIV. bis zum XX. Jahrhundert, München: Bruckmann, 1930. Tafel CXXVI |
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›Wimmelbilder‹ |
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Sammeldarstellungen zu antiken TextenIn der antiken Literatur gibt es verschiedene Aufstellungen der heroischen Taten von Herakles/Hercules – Gustav Schwab und die Wikipedia vereinfachen dies sträflich. (Präziser bei: https://de.wikisource.org/wiki/RE:Herakles) Boethius († 524) erwähnt in der »Consolatio Philosophiae« (Lib. IV, metr. 7) die Arbeiten des Hercules in folgendem Zusammenhang: Die personifizierte Philosophie erklärt dem im Gefängnis seine Hinrichtung erwartenden Boethius, dass das Wort Tugend (virtus) von Kraft (vires) herkomme, weil sie von Widerwärtigem nicht besiegt werden könne. Sowohl für den Weisen wie für den Helden bedeuten Schwierigkeiten Anregungen.
In vielen illustrierten Ausgaben von Ovids »Metamorphosen« ist jedem ›Buch‹ ein einziges ›Wimmelbild‹ beigegeben, hier als Beispiel nochmals die Taten des Hercules, die Ovid im 9.Buch, Verse 182ff. einstreut:
Auch die Gesänge von Vergils »Aeneis« werden mit solchen Bildern eingeleitet. Hier dasjenige zum 6. Buch (Unterweltsfahrt des Aeneas):
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Sammeldarstellung zu ExodusSolche Bilder gibt es selten auch in Bibeln. Hier ein ›Sammelbild‹ zum 2. Buch Moses aus einer Bibel Frankfurt: Balthasar Weydt 1702.
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Zwei Geschehenszusammenhänge im Kontrast |
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Zweierlei DiebeDie beiden verschiedenen Typen sind im Vordergrund (der große Dieb) und im Hintergrund (der kleine Dieb am Galgen) dargestellt:
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Lüsternheit vs. ElendDer Voyeur begafft die planschenden Nackedeis – während der heilige Stephanus gesteinigt wird (Apostelgeschichte 7,54–60):
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Ein Exempel und das metaphorisch/symbolisch/allegorisch dafür Stehende |
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Erstes Beispiel: Das Eichhörnchen im Käfig und der Liebende Im Emblembuch von Pieter C. Hooft (1581–1647) werden die allegorisch zu verstehenden Dinge / Handlungen meist simultan mit Szenen im Hintergrund, worauf sich die Deutung beziehen soll, dargestellt.
Zweites Beispiel Gabriel Rollenhagen (1583–1619?) kombiniert in seinem Emblembuch öfters das symbolisch gemeinte Ding im Vordergrund mit einem Exemplum im Hintergrund. — Vgl. dazu: Dietmar Peil, Emblemtypen in Gabriel Rollenhagens ›Nucleus emblematum‹, in: ders., Ausgewählte Beiträge zur Emblematik, Hamburg: Kovač 2014 (Schriften zur Kunstgeschichte 45), S. 1–23. Hier (II,31) ist das Symbol eine brennende Kerze, Sinnbild der Selbstaufopferung, mit dem Motto ALIIS INSERVIENDO CONSUMOR (Im Dienst an anderen verzehre ich mich). Das Epigramm dazu sagt: So opfert sich der Fürst, während/indem er die Untertanen am Leben erhält. Im Hintergrund vor der Vedute Roms Marcus Curtius, der auf dem Pferd in eine Kluft auf dem Forum reitet, von der das Orakel geweissagt hatte, sie schließe sich erst nach dem Opfer der ›größten Macht‹ Roms, und der sich so für das römische Volk opfert.
Drittes Beispeie: Schaut hin, so sollt ihr auch handeln! Der Storch trägt aus Dankbarkeit seine Eltern auf dem Rücken, die ihn in seiner Jugend gepflegt haben. Das Emblem findet sich in den Ausgaben von Alciato seit 1531 (zur Tradition vgl. Henkel / Schöne, Emblemata, Sp. 827f.) Auch in diesem Emblem sind die zum Handeln Aufgeforderten und das die Handlung insinuierende Sybol simultan dargestellt:
Viertes Beispiel: Personifikation der Keuschheit und ein Beispiel dafür In einer späten Überarbeitung der »Iconologia« von Cesare Ripa (1603) werden die Attribute der Personifikationen im Gegensatz zu Ripa nicht erklärt, sondern es wird … jedesmahlen eine hierzu taugliche Historia oder Gleichnis beÿgefüget. Den Personifikationen sind biblische und heidnische Szenen beigegeben, die denselben Begriff als Exemplum wiedergeben.
Fünftes Beispiel: Vergegenwärtigung einer biblischen Geschichte Aus dem Buch des Fisch gerettet, erfüllt Jonas des Herrn Gebot und predigt den Bewohnern Ninives den Zorn Gottes und dass er sie binnen vierzig Tagen vertilgen werde. Da tun sie Buße, und der Herr erbarmt sich ihrer und vertilgt sie nicht. Jonas aber wird nun zornig, weil nicht geschah, was er doch prophezeiht hatte. Er setzt auf einen Berg gegenüber Ninive und wartet, ob die Stadt nicht endlich untergehen werde, wie der Herr verheißen hatte. Ein Kürbis*, der über seinem Haupte rankt, gibt ihm dabei Schatten. Aber der Herr lässt den Kürbis verdorren, und Ninive geht immer noch nicht unter. Da ergrimmt Jonas, der Herr aber spricht zu ihm: »Dich jammert der Kürbis und mich sollte nicht jammern der hunderttausend Menschen, die in Ninive wohnen?« (Jona 4,1–11)
Der unbekannte Zeichner dieses Blatts lässt den Propheten unter dem Kürbisbaum auf die Stadt Zürich schauen. Ist Zürich das neue Ninive – dessen sich der Herr ebenfalls erbarmen möge?
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Eine Handlung und die daraus entstehenden Folgen |
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Tun-Ergehn-ZusammenhangDer Begriff stammt aus der Bibelwissenschaft, vgl. den Artikel hier. Erstes Beispiel Die Bestrafungs- bzw. Hinrichtungsinstrumente, die den Übeltätern bevorstehen, sind über ihren Häuptern gezeichnet, ähnlich wie die Helmzimier bei turnierenden Rittern. Die eine Sphäre: in der Gegenwart, wüstes Tun an der Tafel – die andere Sphäre: in der Zukunft, üble Folgen.
Zweites Beispiel Drei Männer spielen 1553 in Willisau bei Luzern Karten. Der erste schwört fräfentlich unverholen: »Verlür ich das spyl, so wolt ich Gott erstechen.« Er verliert, zückt seinen Dolch und wirft ihn nach oben; der verschwindet, und es fallen fünf Blutstropfen auf den Tisch; dann wird er vor den Augen der Mitspieler vom Teufel geholt. Die beiden andern können das Blut in einem Bach nicht vom Tisch abwaschen. Die durch das teuflische Getöse aufmerksam gewordenen Stadtbewohner wollen sie ins Gefängnis abführen. Auf dem Weg wird der eine der Spieler von Läusen angefallen, die ihn auffressen. Der dritte wird geköpft. Der in den Wickiana (Signatur: PAS II 2/27) überlieferte Holzschnitt zeigt die Todesarten der drei Spieler:
In der Reihe »Nova Reperta« — Zeichner: Jan van der Straet (1523–1605); Stich Jan Collaert (1566–1628) zugeschrieben; im Verlag von Philips Galle (1537–1612), Antwerpen um 1591 — wird die Entdeckung des Gujakholzes als Medikament gegen die Siphylis gefeiert. Die Siphylis hatte sich seit dem Sacco di Roma von 1527 als Superspreader-Event in der Alten Welt ausgebreitet. Ulrich von Hutten hatte sich in Leipzig oder auf den Wanderjahren in Italien mit Lues infiziert und glaubte, von Dekokten des Guajakholzes profitiert zu haben, was ihn 1519 zur Publikation von »De Guaiaci medicina sive morbo Gallico liber unus« anregte. Die herkömmliche Quecksilberkur hatte bei ihm schwere Vergiftungssymptome hervorgerufen.
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Vgl. auch das Unterkapitel zu den Bildern in Sprechblasen |
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Erzähler und Erzähltes simultanErstes Beispiel Die als Kapitel-Anfänge dienenden Bilder im »{H}ortus Sanitatis« (Mainz: Jacob Meydenbach 1491) sind so organisiert: Gelehrte disputieren miteinander über den Gegenstand, der jetzt dann behandelt wird. (Streng genommen sind es nicht Erzähler und Erzähltes, aber die Zusammen-Schau von zwei Ebenen ist logisch ebenso geartet.)
Zweites Beispiel Das Titelbild der Aesop-Ausgabe Esopi appologi sive mythologi cum quibusdam carminum et fabularum additionibus Sebastiani Brant, [Basel: Phortzheim 1501] zeigt den Fabelerzähler (Aesop wird in seiner fiktiven Vita als missgestaltig geschildert) sowie Pictogramme, die auf die von ihm erzählten Fabeln verweisen: Diese Technik ist in Aesop-Ausgaben beliebt. Während der Holzschnitt des frühen 16. Jh. die Ebenen darstellerisch trennt, befindet sich im 17.Jh. der Dichter gleichsam mitten unter den Tieren seiner Texte:
Die Ausdrücke ›Superimago‹ und ›Subimago‹ verwendet Jörg Jochen Berns bei der Besprechung des Titelbilds der Aesopausgabe von Zainer in Ulm um 1476/1477 in seinem Buch Film vor dem Film. Bewegende und bewegliche Bilder als Mittel der Imaginationssteuerung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Marburg: Jonas Verlag 2000. S.48–55. Drittes Beispiel Auf dem Titelbild dieses Buchs mit Illlustrationen zu Verglis »Aeneis« wird der lorbeerbekränzte Dichter Vergil beim Schreiben dargestellt; ein Genius (?) zeigt ihm als Vorbild Homers ΙΛΙΑΣ.
Viertes Beispiel Matthäus 13,24ff.: Jesus legte ihnen ein anderes Gleichnis vor: Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Mann, der guten Samen auf seinen Acker säte. Während nun die Menschen schliefen, kam sein Feind, säte Unkraut unter den Weizen und ging weg. Als die Saat aufging und sich die Ähren bildeten, kam auch das Unkraut zum Vorschein. (Der Text unter dem Bild sagt: des menschen feind – gemeint ist der Teufel, vgl. die Füße des Unkraut Säenden!)
Fünftes Beispiel Im Matthäus-Evangelium 3,1ff. steht die Geschichte von Johannes dem Täufer. Das Bild zeigt links vorne den predigenden Johannes, rechts die Predigthörer*innen — rechts im Hintergrund aus dem Inhalt der Predigt: das Fällen und Verbrennen von Bäumen — links im Hintergrund unter der Taube des hl. Geists die Taufe im Jordan. (Insofern gehört dieses Bild auch in die erste Rubrik = simultane Darstellung historischer Szenen).
Sechstes Beispiel Ein Illustrierte Handschrift zu Wolframs von Eschenbach »Willehalm«-Epos zeigt (auf diesem Blatt) verschiedene Szenen der Erzählung sowie den Erzähler:
Karl von Amira, Die Bruchstücke der großen Bilderhandschrift von Wolframs Willehalm: Farbiges Faksimile in zwanzig Tafeln nebst Einleitung, München 1921. > https://doi.org/10.11588/diglit.14782#000 |
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Realität und VisionErstes Beispiel Im zweiten Makkabäer-Buch wird berichtet, dass den Truppen eine englische Lichtgestalt vorausreitet, um sie zu ermutigen. DA aber Maccabeus vnd die seinen höreten/ das er den Flecken stürmet/ baten sie vnd der gantze Hauff mit süfftzen vnd threnen/ den HERRN/ Das er einen guten Engel senden wolte/ der Jsrael hülffe. Vnd Maccabeus war der erste der sich rüstet/ vnd vermanet die andern/ Das sie sich mit jm wogen vnd jren Brüdern helffen wolten/ Vnd zogen also mit einander aus. Als bald sie aber fur die stad Jerusalem hin aus kamen/ Erschiene jnen Einer zu Ross in einem weissen kleide/ vnd güldenem Harnisch/ vnd zoch fur jnen her. Da lobten sie alle den barmhertzigen Gott/ vnd wurden keck/ das sie jre Feinde schlagen wolten/ wenn sie gleich die wildesten Thier were / vnd hetten eiserne mauren fur sich. Mit einem solchen mut reisete der gantze Zeug fort/sampt jrem Gehülffen/ den jnen der barmhertzige Gott von Himel gesand hatte/ Vnd grieffen jre Feinde an / wie die Lewen / vnd erschlugen jr eilff tausent zu fuss / vnd sechzehen hundert zu Ross. Das Bild zeigt miteinander die Krieger als auch den Engel, der ihnen (ihnen!) erscheint.
Zweites Beispiel Eine um das Jahr 1000 entstandene Handschrift der Staatsbibliothek Bamberg (Msc. Bibl. 22) zeigt die Szene der Vision des Nebukadnezar (Buch Daniel 2,31–35) von den vier Weltreichen, die Daniel dann auslegt. (Mehr dazu auch hier.)
Drittes Beispiel Genesis 28,11 steht: Jakob kam an einen bestimmten Ort und übernachtete dort, denn die Sonne war untergegangen. Er nahm einen von den Steinen dieses Ortes, legte ihn unter seinen Kopf und schlief dort ein. Da hatte er einen Traum: Siehe, eine Leiter stand auf der Erde, ihre Spitze reichte bis zum Himmel. Und siehe: Auf ihr stiegen Engel Gottes auf und nieder. Die Visualisierung muss mit zwei Ebenen rechnen: (a) die Geschichte von Jakob und (b) das, was Jakob in seiner Vision sieht: die Himmelsleiter. In der Darstellung der Lübecker Bibel 1494 sind (a) und (b) visuell nicht auseinandergehalten; es sieht beinahe so aus, als sei die Leiter in Jakobs Brustkorb gerammt:
Dieser Illustrator macht dadurch, dass er die Leiter wolken-umhüllt zeigt, deutlich, dass es sich um eine Vision handelt:
Viertes Beispiel In Saadis »Golestan« (13. Jh. u.Z.) wird erzählt, dass ein Derwisch im Traum sieht, daß ein König im Paradieß/ und ein Derwisch in der Höllen saß/ über welches er sich nicht wenig verwunderte. Man gibt ihm zu verstehen: Der König ist wegen seiner Liebe zu den Derwischen im Paradiese, und der Derwisch ist wegen seines Umgangs mit den Königen in der Hölle.
Fünftes Beispiel Albrecht Dürer wird (wohl zu unrecht) eine Zeichnung zugeschrieben, die eine Vision des Hl.Benedikt darstellt.
Sechstes Beispiel Die Personifikation der Freude in Petrarcas Buch »Von zweierlei Glück« (I, Kapitel 21) ruft aus, sie freue sich über die Muße (otium), die genussvolle Ruhe (quies), den Schlummer (fruor somno). – Die Vernunft erwidert: Nicht die Ruhe, sondern die Arbeit ist die Quelle für Tugend und Ruhm (Labor est materia virtutis et gloriae). Der Meister der Holzschnitte zeigt den prächtig gekleideten Müßigen auf einem prunkvollen Bett (Otiosus in thalamo requiesco) – daneben das, was ihm an Phantasien und Gesichten und Träumen erscheinen: Kämpfe zwischen Bewaffneten, mit Monstren (somnus … habet abditos dolores visionumque ac phantasmatum turbidos tumultus atque horribiles).
Weitaus genüsslicher ist der Traum, den Alexandre Balthazar Laurent Grimod de la Reynière (1758–1837) ebenso darstellt:
Siebentes Beispiel
Achtes Beispiel Die Gregorsmesse. Papst Gregor I. zelebriert die Messe. Das Mysterium der Transsubstantiation von Brot und Wein in Leib und Blut Christi wird so dargestellt, dass der aus dem Sarg Auferstehende sowie einige der Leidenswerkzeuge realistisch abgebildet sind bzw. bei diesem Wunder wirklich zu sehen waren (ein Jesus Verspottender, die Dornenkrone, der Hammer zur Annagelung, Würfel der um Jesu Kleider würfeldden Grabwächter, der Hahn u.a.m.)
Neuntes Beispiel Es gibt eine Bildtradition, die Maler und Modell gleichzeitig zeigen. (Vgl. Klaus Gallwitz / Georg W. Költzsch, Maler und Modell. Staatliche Kunsthalle Baden-Baden, 28.Juli bis 19.Oktober 1969; Karlsruhe: Buchdruckerei und Verlag GmbH 1969.) Dabei kann das Modell auch in einer Vision sichtbar sein, beispielsweise bei den häufigen Darstellungen des die Madonna malenden Evangelisten Lukas:
Der Text im 1.Kapitel von Boccaccios »De Casibus Illustrium Virorum Et Mulierum« beginnt:
In einer französischen Übersetzung »De la Ruine des Nobles hommes et femmes« ist ein Holzschnitt eingeklebt, der zeigt, wie der Autor Boccaccio die Figuren Adam und Eva vor sich hat und dazu den Text schreibt:
Zehntes Beispiel Sigmund Freud zitiert in der »Traumdeutung« einen Cartoon: Der Traum eines Knaben, der urinieren muss; er träumt von einem Spaziergang entlang eines Flusses, wobei er den Reiz in einen immer mächtiger werdenden Wasserstrom übersetzt. Erst das letzte Bild, welches das Erwachen der Bonne infolge des Geschreis des Kindes enthält, zeigt uns, daß die früheren sieben die Phasen eines Traumes darstellen.
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Diesseits und JenseitsErstes Beispiel In Genesis 4,1–24 wird die Geschichte von Kain und Abel erzählt: ES begab sich aber nach etlichen tagen / das Kain dem HERRN Opffer bracht von den Früchten des feldes/ Vnd Abel bracht auch von den Erstlingen seiner Herde vnd von jrem fetten. Vnd der HERR sahe gnediglich an Abel vnd sein Opffer/ Aber Kain vnd sein Opffer sahe er nicht gnediglich an. (Luther-Übersetzung 1545 > http://www.zeno.org/nid/2000531979X) Der Illustrator Johann Teufel zeigt unten im Vordergrund die Szenen mit den beiden Opfernden Kain und Abel – oben – die Sphäre wird durch ein Wolkenband optisch abgegrenzt – GOtt, der sich zu Abel wendet und einen Lichtstrahl zu ihm sendet.
Zweites Beispiel Das Lukasevangelium 16,19ff. erzählt die Geschichte vom reichen Prasser und dem armen Lazarus:
Drittes Beispiel Auf den Planetenbildern im Hausbuch der Grafen von Waldburg-Wolfegg-Waldsee (zwischen 1475 und 1500) werden im oberen Bildbereich die Planetengötter und -Göttinnen gezeigt; daneben die dominierenden Sternbilder (›Häuser‹) als Pictogramme. Im unteren Bildbereich sind die Planetenkinder dargestellt, d.h. nach astrologischer Vorstellung die Charaktertypen der durch die Gottheiten beeinflussten Menschen und ihre Tätigkeiten.
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Exempel und AlternativenIn Von der Arzney bayder Glück, des guten und widerwertigen, Augsburg, 1532 sagt in Kapitel I,52 Die ›Freude‹: Ich habe einen getrewen vnd erfarnen freund. Die ›Vernunft‹ argumentiert, die Freundschaft könne immer wieder in Hass umschlagen, und zählt zur Untermalung dieser Behauptung historische, mythologische und zeitgenössische Beispiele auf. Der Illustrator fertigt eine »panoptische Verquickung« an (so nannte das Wilhelm Fraenger 1930): Fünf Szenen in ein und denselben perspektivisch gestalteten Raum eingefügt, wobei eine Hecke Vorder- und Hintergrund trennt. (Der Zeichner bzw. sein Influencer übernimmt die in Petrarcas Text genannten Fälle wie üblich nicht alle, sondern bringt auch eigene. Zu seiner Illustrationstrategie mehr hier.) • In der Mitte (rot umrandet): Zwei Männer umarmen sich und sind dabei, sich einen freundschaftlichen Kuss zu geben.
• Unten links (blau): Ein König erhebt das Schwert gegen einen jüngeren Mann mit langem Haar. Vor ihnen liegen schon drei getötete Personen, darunter eine gekrönte Frau. Dies bezieht sich sicher auf die Stelle bei Petrarca: Et Ptolemeus Philopater dictus, patre ac matre insuper et fratre occisis, ad ultimum et uxore Eurydice interfecta, ... in der 1539er-Übersetzung: Mann liset daß Ptolemeus darumb* Philopater genent ist worden / daß er seinn vatter/ muotter/ vnd brueder erwürgt/ zuletst auch sein weib Eudidicen. • Unten rechts (grün): Ein Mann mit einem Flügelhelm treibt mit einem Stock einen alten Mann vor sich her. Der Flügelhelm ist typisches Attribut von Hermes/Merkur. Ovid (Metamorphosen II, 676–707) erzählt, wie Mercur zunächst den greisen Hirten Battus (notus in illo rure senex) einweiht (Motiv der Freundschaft), dass er Apolls Rinder gestohlen habe, und ihn dann verkleidet testet, ob er das Geheimnis bewahrt. Wie Battus es verrät, verwandelt Mercur ihn in einen Felsen. (Dann wäre der Stab Mercurs Caduceus, dessen zwei Schlangen man außerhalb des Bilds nicht mehr sieht, und der rechts unten liegende Stein eine Vorausdeutung auf die Verwandlung von Battus).
• Oben links (braun): Klytemnestra (Clitemnestra) verliebt sich während der Abwesenheit ihres Ehemanns Agamemnon im Trojanischen Krieg in Aegisth (Egisti). Bei Agamemnons Heimkunft lässt sie ihn so töten: Sie bittet ihn, andere Kleider anzuziehen; der Rock hat indessen kein ›Hauptloch‹, und wie sich Agamemnon darin verwickelt, wird er von Aegisth erstochen. Das Exempel wird bei Petrarca nur angetippt, ohne dass die Geschichte erzählt wird. – Hingegen erzählt Boccaccio, »De claris mulieribus« Kap. 34 das ausführlich. (Boccaccio hat dieselbe Geschichte auch in de »De casibus virorum illustrium« I,15 beschrieben.)
• Oben rechts (gelb): Kaiser Nero lässt seine Mutter töten und aufschneiden, um herauszufinden, wie er in ihrem Uterus lag. Die Geschichte ist nicht antik. Sie erscheint bei Jacobus a Voragine, »Legenda aurea« im Kapitel LXXXIX über den Apostel S.Petrus: Nero nefaria mentis vesania ductus, ut in eadem hjstoria apocrypha reperitur, matrem occidi et scindi jussit, ut videret, qualiter in ejus utero fovebatur, … (Ausgabe von Th. Graesse S.376).
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Der Imaginiernde und das von ihm ImaginierteDer Petrarcameister zeigt zum Thema Von der gedechtnus einen Gelehrten, der sich anhand von mnemotechnischen Hilfs-Bildern soverän etwas (eine Rede z.B.) einprägt. Im Hintergrund muss man sich solche Bilder der Mnemotechnik vorstellen, wie sie etwa hier dargestellt sind:
Literaturhinweise: Wilhelm Fraenger, Zur Deutung dreier Illustrationen des Petrarka-Meisters, in: Die graphischen Künste 49 (1926), S. 25–35. Ludwig Volkmann, Ars memorativa, in: Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen in Wien, Neue Folge, Band 3, Wien 1929. Jörg Jochen Berns / Wolfgang Neuber u.a.: Ars memorativa. Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung der Gedächtniskunst 1400–1700, (Frühe Neuzeit 15), Tübingen: Niemeyer 1993. |
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Kontamination von verschiedenen kulturellen KontextenÄhnliche Bildinhalte in Erzählungen verführen dazu, sie zu parallelisieren, auch wenn sie aus verschiedenen kulturellen Sphären stammen. Eine Sintflutgeschichte erzählen die Bibel in der Genesis (Kapitel 6 und 7) wie auch Ovid in den Metamorphosen (I, 262–348). In der Bibel überleben Noah, seine Familie und die Tiere die Flut auf der Arche; bei Ovid überleben Deucalion und Pyrrha. Einige Ovid-Illustratoren zeigen die Arche im Hintergrund, obwohl sie in Ovids Text selbstverständlich nicht vorkommt:
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In dieselbe Bildebene praktizierter HintersinnErstes Beispiel: Antike Parallelen zufällig im Hintergrund Conrad Meyer [1618–1689] hat ein emblematisches Buch von Jacob Cats [1577–1660] 1657 neu illustriert und erweitert.
Zweites Beispiel: Die Deutung ist dezent als Bild im Bild angebracht Jean de la Fontaine (1621–1695) doppelt die Fabel von Phaedrus (III,12): Bei ihm ist es ist nicht nur Le Coq et la Perle sondern auch ein (dummer) Mensch, der sich so benimmt. Grandville (1803–1847) visualisiert die beiden Szenen so, dass er die Tierfabel als Bild im Bild zeigt.
Drittes Beispiel: Die Deutung ist nicht ganz dezent als Bild im Bild angebracht Der liberal denkende Geistliche Alois Fuchs (1794–1855), der sich 1832 gegen die Allmacht des Papsts, gegen den Zölibat der Priester, für die Verdeutschung der Messe ausgesprochen hatte, wurde vor eine bischöfliche Kommission zitiert, die ihn im Amt suspendierte. Die Karikatur von Martin Disteli (1802–1844) im »Republikaner-Kalender« 1834 zeigt den sich verteidigenden A.Fuchs im Gerichtszimmer.
Weitere Beispiele für Bilder-im-Bild: hier und hier und hier und hier Viertes Beispiel: Ein in derselben Realitätsebene erscheinendes Element deutet das Dargestellte Petrarca kritisiert in »De remediis utriusque fortunae« die Freude über köstliche Gemälde. Der Illustrator kommt nicht umhin, eine prächtige Malerwerkstatt darzustellen, wo ein würdiger Herr portraitiert wird, eine Statue bemalt wird und Besucher ein fast vollständiges Gemälde betrachten, das Trauben an einem Weinstock darstellt:
Ein winziges Detail bringt die Kritik ins Bild: Ein Vogel fliegt auf dieses Bild zu und versucht, Trauben zu naschen. Das bezieht sich auf eine Stelle bei Plinius, naturalis historia XXXV, xxxvi, 65:
Damit ist (sapienti sat!) angedeutet, dass die Malerei Augentrug ist. Man soll nicht von Menschen angemalte Bretter angaffen, sondern das Bild, das Gott geschaffen hat. In der Ausgabe 1539 steht der Vers von Johannes Pinicianus:
Maria Gräfin Lanckorońska (Selbstbildnisse des Petrarkameisters, in: Stultifera Navis 10 (1953), S. 31–35) hielt das Gesicht des porträtierenden Malers für ein Selbst-Porträt des Meisters. Das wäre dann noch eine weitere integrierte Ebene: Fünftes Beispiel: Praxis und Symbol für die dahinterstehende Theorie Johann Jacob Scheuchzer (1672–1733) akzeptiert 1703 die Fluttheorie von John Woodward und erklärt die fossilen Pflanzen und Tiere als verschüttete Lebewesen der Sintflut. — 1709 publiziert er eine Reihe von Bildern seiner Fossilien-Sammlung unter dem Titel »Herbarium Diluvianum«; das Titelblatt zeigt die Arche Noah in der Sintflut. — 1716 veröffentlicht er ein Buch u.d.T. »Museum Diluvianum« mit diesem Titelblatt (Radierung von Johann Melchior Füssli): Mehrere Sphären sind ins Bild integriert: (1) Die Landschaft wird charakterisiert durch einen hackender Bergarbeiter. (2) In modischer Kleidung mit Allonge-Perücke – eher in eine städtische Kunstkammer passend – ein Gelehrter, der mit einem Stock auf die ausgegrabenen Fossilienfunde zeigt. (3) Hinten oben auf dem Berg die gelandete Arche Noah, das Symbol für das Erklärungsmuster der Fossilien. Vgl. Urs B. Leu, Johann Jacob Scheuchzer. Pionier der Alpen und Klimaforschung, Zürich: Chronos 2022; S. 151ff. |
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Kombinationen — 1: metadiegetisch und mehrere PhasenErstes Beispiel Hecuba war die Gemahlin des Priamus, des Königs von Troja. Bei ihrer zweiten Schwangerschaft (1) träumte ihr, sie brächte eine Fackel zur Welt, die ganz Troja verzehrte. Das Kind war Paris, der vorne schon als (2) Wickelkind getragen wird. Im Hintergrund bereits (3) das brennende Troja.
Zweites Beispiel Abgebildet ist (rechts) die vielgestaltige Sphinx sowie – ohne dass es durch einen Rahmen oder sonst ein Gestaltungsmittel abgegrenzt ist – das von ihr gestellte Rätsel, welches Lebewesen zugleich zwei-, drei- und vierfüßig sei, und zwar – weil dieser abstrakte Satz graphisch nicht realisierbar ist – in Form der Lösung: Kind, Erwachsener und Greis.
Drittes Beispiel Vergil erzählt in »Georgica« (IV.Buch) die Geschichte des mythischen Imkers Aristaeus, der wissen will, weshalb seine Bienenvölker gestorben sind. Auf Rat seiner Mutter Cyrene befragt Aristaeus den Seher Proteus und erfährt von ihm den Grund des Bienensterbens. — Proteus erzählt ihm dazu die Geschichte von Orpheus und Eurydike: Aristaeus hatte sich sich in Eurydike verliebt, die Frau des Sängers Orpheus, und sie verfolgt. Diese trat bei der Flucht vor ihm auf eine Schlange, an deren Biss sie starb und in die Unterwelt kam, von wo sie Orpheus beinahe wieder erretten konnte (vgl. auch Ovid, Metamorphosen 10,1-85). – Die Schwestern von Eurydike ließen darauf aus Rache die Bienen von Aristaeus sterben. Vergil, Georgica / Vom Landbau, Lat./Dt, übersetzt [und kommentiert] von Otto Schönberger, 2.Aufl. Stuttgart 2010 (Reclams UB 638); IV, 281ff.
Das Bild hat zwei Ebenen: (1) Die Geschichte von Aristaeus und Proteus. — (2) Die von Proteus erzählte Geschichte von Orpheus und Eurydike, die des Proteus Antwort auf Aristaeus’ Frage ist. Hierbei werden die beiden Phasen Anfang (2a Schlangenbiss) und der Tod des Orpheus (2b zerfetzer Leib) simultan dargestellt.
Literaturhinweis: Christoff Neumeister, Aristaeus und Orpheus im 4. Buch der Georgica, in: Würzburger Jahrbücher für die Altertumswissenschaft, Neue Folge, Band 8 (1982), S. 47–56. Für dieses Beispiel mit wertvollen Hinweisen von Kathia Müller (UZH) 30.10.2019 |
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Kombinationen — 2: metadiegetisch und verschiedene SphärenErstes Beispiel: Der Einsiedler Barlaam erzählt dem ihm zur Erziehung anvertrauten Prinzen Josaphat eine Geschichte (hier verkürzt, ausführlicher hier): Barlaam erzählt, dass der Sünder einem Menschen gleiche, der – als er vor einem Einhorn floh – in einen Abgrund stürzte. Bei seinem Fall packte er mit den Händen einen kleinen Baum, der aus der Tiefe emporragte; und als er hinunterschaute, erblickte er am Fuße des Baumes einen scheusslichen Pfuhl und einen schrecklichen Drachen, der den Baum umschlängelte und mit offenem Rachen auf sein Herabfallen lauerte. […] Er erblickte einen Honigquell, der von den Ästen des Baumes herabtröpfelte, […] und überließ sich dem süßen Genuss. Dann folgt eine allegorische Moralisation: Dise gruob aber ist dise welt die ist vol alles úbels vnd tötlicher strick. […] Der grausamist drack in der gruoben der bedeútet den erschrockenlichen bauch der helle der do begeret die zeenpfahen vnd ze verschlinden die das honig daz ist die süessigkeyt dieser welt setzen in irem willen vnd gemüet fúr die ewigen guotheyt vnd süessigkeyt.
Zweites Beispiel: Das Titelbild zum Markus-Evangelium in einer Bibel zeigt (1) den schreibenden Evangelisten Markus — (2) mit seinem Attribut, dem (geflügelten) Löwen — (3) rechts das, was er im Evangelium erzählt: den auferstehenden Christus (mit einem schlafenden Wächter am Grab, was Matth. 28,13 erwähnt wird) — (4) im Hintergrund Samson, der die ausgehängten Torflügel von Gaza trägt (Richter 16,1–3), d.h. die (typologische) Präfiguration im Alten Testament: So überwindet Christus die Pforten der Vorhölle. — Der Schwan im Fluss ist wohl nur Dekoration.
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Auch in wissenschaftlichen Werken werden Simultanbilder verwendetDie simultan dargestellten, aufeinander folgenden Phasen gehören hier nicht einer poetischen Erzählung an. |
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Erstes Beispiel
Zweites Beispiel Étienne-Jules Marey (1830–1904) hatte eine Camera entwickelt, mit der er durch ein Uhrwerk im Verschlussmechanismus 12 Bilder pro Sekunde knipsen konnte. Einige dieser Studien stellte er in Einzelbildern nebeneinander zusammen, bei anderen überlagerte er die Phasen und stellte sie in einem einzigen Bild dar. Hier die Darstellung eines laufenden Menschen, der schwarz gekleidet und dessen Arme und Beine mit weißen Streifen markiert wurden:
Ein anderer Photograph, der dieselbe Technik entwickelte, war der Engländer Eadweard Muybridge (1830–1904), von dem viele Aufnahmen im WWWeb zu finden sind (nicht nur sich bewegende Pferde und Elefanten …). Marcel Duchamp hat sich für sein Bild »Nu descendant un Escalier« (1912) sicherlich von solchen Photographien anregen lassen. Drittes Beispiel: Durchzug eines Kometen 1556 Der Comet im Mertzen des Lvj. Jars zů Wienn in Osterreich erschinen Zentralbibliothek Zürich, Wickiana PAS II 2/16
Viertes Beispiel: Gegenwart und Zukunft überlagert 10./11. Mai 1861 brannte ein großer Teil von Glarus ab. Die beiden Architekten Johann Kaspar Wolff und Bernhard Simon legten bereits nach wenigen Wochen ihre Planung vor, deren Basis ein Schachbrettmuster nach dem Vorbild von New York oder La Chaux-de-Fonds (1794) war. Auf dem Plan sind die neuen Häuserblocks in anderer Farbe dem alten Grundriss überlagert.
Fünftes Beispiel: realistischer Einsatz — Modell Die Taucher-Glocke wird einerseits "in situ" gezeigt, im Einsatz unter Wasser; anderseits auf der (von Engeln gehaltenen) Leinwand mit einer Darstellung eines technischen Modells (Fig. ii) , damit die Invention leicht zu begreifen ist; in Fig. iii wird dieses in einem Wasserglas untergetaucht.
Sechstes Beispiel Eine seltsame Zusammenstellung hat der Kupferstecher Johann Heinrich Lips (1758–1817) hier gewagt (hier zwei von vier Bildern:
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Bildnerische Techniken, mit denen die Gegenstücke concomotiert werdenFür alle Techniken finden sich oben bereits Beispiele. Eine der Sphären wird bildnerisch markiert Die Träume des Pharaos (Genesis Kap. 41) von den sieben Kühen und sieben Ähren sind in ›Denkblasen‹ dargestllt:
Hier wird die zweite Realitätsebene durch einen (natürlich erscheinenden) Wolkenkranz abgegrenzt. Daniel deuet den Traum von Nebukadnezar: eine Bildsäule, bestehend aus vier Materialien, welche vier Weltreiche bedeuten (Daniel 2, bes. 31–35; Text hier)
Ein realistisches Detail trennt die beiden Sphären Nochmals die Träume des Pharaos (Genesis Kap. 41) von den sieben Kühen und sieben Ähren, hier in einer Hans Holbein d. J. zugeschriebenen Version: Die beiden Bildsphären sind hier durch einen Vorhang getrennt:
Links die Szene der Enthauptung von Johannes dem Täufer; durch die Säule getrennt die Szene, wo die Tochter von Herodias (›Salome‹) das Haupt ihrer Mutter präsentiert. — Matthäus 14,3ff. und Markus 6,17ff.
Die beiden Sphären werden nicht getrennt Der Prophet Micha prohezeit (Kapitel 5,2), das aus Betlehem der Herrscher über Israel hervorgehen wird; das wurde auf Christus hin ausgelegt; diese Szene der Geburt Jesu in Betlehem ist ganz realistisch in der Landschaft zu sehen, als ereigne sich das Geschehen gerade dort.
Psalm 42,5 (Vulgata): Quare tristis es anima mea? (Warum bist du traurig, meine Seele?)
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Eine ikonographisches Problem: Die vielen Äpfel beim Sündenfall ?Die bildrelevanten Textabschnitte aus Genesis 2,25 und 3,1–7:
Folgende Bild-Elemente sind erklärungsbedürftig: • Der Apfel als Frucht (in der hebräischen Bibel ist von ›Frucht‹ die Rede: pǝrij) scheint zunächst erklärbar aus dem Wortspiel lateinisch mălum (mit kurzem a): das sittlich Schlechte / mālum (mit langem a): der Apfel. Die Kirchenväter lehnen diese Pseudo-Etymologie indessen ab; vgl. Hans-Günter Leder, Arbor Scientiae. Die Tradition vom paradiesischen Apfelbaum. In: Zeitschrift für neutestamentliche Wissenschaft 52 (1961), S. 156–189. • Die Schlange mit dem Apfel im Maul. Könnte das — zu einer Zeit, als man noch kaum Sprechblasen im Stil von Micky Maus verwendete (vgl. Labelling.html#Sprechblasen) — besagen: Die Schlange spricht vom Apfel? • Weshalb weden diese Schlangen oft gekrönt dargestellt? Das könnte ein Hinweis auf ihr satanisches, imperiale Macht usurpierendes Wesen sein. (Aber auch in der paganen Naturkunde wurde diskutiert, ob Schlangen gekrönt ein könnten (Plinius, hist.nat. VIII, xiii, 35: cristati; vgl Ovid, met. IV,599). • Adam und Eva haben die Scham oft durch Laub bedeckt. Das muss nicht zwingend als Antizipation von Genesis 3,7 (Feigenblätter) verstanden werden; es ist evtl. ein schamhaftes Verdecken der Pudenda, wie man es bei ›keuschen‹ Akt-Darstellungen oft findet (Botticellis Venus bedeckt sich mit dem eigenen Haupthaar):
••• Insbesondere die vielen Äpfel: Wieso sind in Sündenfall-Szenen oft mehrere ›Früchte der Erkenntnis‹ (meist als Äpfel) im Maul der Schlange und in den Händen von Adam und Eva dargestellt? Dass Eva mehrere Früchte gepflückt hätte, steht nicht explizit im Bibeltext; aber auch nicht, dass es éine Frucht gewesen sei:
Ob bei den Bildern mit mehreren Früchten mehrere Phasen des Geschehens überlagert dargestellt werden? Als ›Bande dessinée‹ ist die Geschichte visualisiert (Hinweise bei R.Hoffmannn, s. unten; S. 63ff.):
Hier eine nicht-chronologische Liste von Darstellungsweisen: • Textgetreu ist die Darstellung im Speculum humanae salvationis, Basel: Bernhard Richel 1476: Schlange ohne Apfel im Maul; nur 1 Apfel:
• Ebenso bei Lucas Cranach d.Ä. (1472–1553)
• In Dürers Darstellung in der ›Kleinen Holzschnitt-Passion‹ (1511) und dann bei Virgil Solis (1563) hält die Schlange einen Apfel im Maul; nur dieser éine Apfel ist sichtbar; Eva greift danach. (Der Gestus Adams bei Dürer ist eher fragend-abweisend; bei V.Solis eher zustimmend.)
• Ebenso auf dem Bild von Caspar Luyken, gestochen von Ch. Weigel:
• Ebenso bei Tizian (1490–1576) — Museo del Prado •• In der Darstellung von Conrad Meyer (1618–1689) hat Eva den Apfel auf Anraten der Schlange vom Baum genommen und gibt ihn (in Gestalt eines zweiten Apfels) an Adam weiter.
••• In der Historienbibel (um 1460) aus der Werkstatt von Diebold Lauber (Fol. 23v) ist der Sündenfall mit drei Früchten (Schlange – Eva – Adam) so dargestellt:
•••• Im Fresko in der Bischofskapelle von Gurk sind sogar vier Äpfel abgebildet: die Schlange hält einen im Maul; Eva kostet einen; Eva reicht einen an Adam weiter; Adam führt ihn zum Mund.
• Noch eine Komplikation: Dürers Kupferstich 1504:
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Mehr zu diesem Thema auch im Kapitel Bildvielheit. Auch einfache Strukturen von Prozessdiagrammen arbeiten mit Simultanbildern. ——————— Literaturhinweise zur "kalkulierten Zusammenstellung von ausgewählten Bildobjekten – Gemälden, Zeichnungen, Fotografien und Skulpturen – zu einer neuen, übergreifenden Einheit": • Ehrenfried Kluckert, Die Erzählformen des mittelalterlichen Simultanbildes, Diss. Tübingen 1974. • Jörg Jochen Berns, Film vor dem Film. Bewegende und bewegliche Bilder als Mittel der Imaginationssteuerung in Mittelalter und Früher Neuzeit. Marburg: Jonas Verlag 2000. • Felix Thürlemann, Mehr als ein Bild. Für eine Kunstgeschichte des "hyperimage", Paderborn: Fink 2013
• Das Bild im Plural. mehrteilige Bildformen zwischen Mittelalter und Gegenwart; hgg. David Ganz / Felix Thürlemann, Berlin: Reimer 2010.
• Susanne Köbele / Coralie Rippl (Hgg.), Gleichzeitigkeit. Narrative Synchronisierungsmodelle in der Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit Würzburg: Känigshausen & Neumann 2015.
——————— Zusammengestellt von P.M., November 2019; immer wieder ergänzt, zuletzt im Januar 2023. |
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