Fiktives und Faktisches in der alten Zoologie

     
 

Monströses und Empirisches in der frühneuzeitlichen Zoologie

Diese Webseite basiert auf dem Aufsatz von Paul Michel, »Monströses in der frühneuzeitlichen Zoologie«, in: Monster. Fantastische Bilderwelten zwischen Grauen und Komik, Bearb. von Peggy Große, G. Ulrich Großmann, Johannes Pommeranz. Begleitband zur Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum vom 7. Mai bis 6. September 2015, Nürnberg 2015, S. 47–59. (Das Buch ist ausverkauft.)

Übersicht:

 Zwei Zugangsweisen zu ›paradoxen‹ Lebewesen

Leitvorstellungen und Schlüsselbegriffe: Neugierde, ›historia‹, Allegorese, Physikotheologie

Büchergelehrsamkeit, Correspondentz und Observation. Wie zoologische Werke zustande kamen

Unzulängliche Klassifikation

Migranten zwischen den literarischen Gattungen

Argumentationsweisen der Kritik

Verlässlichkeit von Zeugenaussagen

Frühe physiologische Überlegungen

Augenzeugenbericht, Beobachtung, Empirie

Sprachtheorie dient der Kritik

Entstehung von Monstren durch missverstandene Symbolik

Der Bauplan der Lebewesen dementiert Monstra

Bedürfnis nach Realität

Faktizität oder Fiktivität?

Literaturangaben: Quellen / Forschungen

 
     
 

Zwei Zugangsweisen zu ›paradoxen‹ Lebewesen

• Versetzen Sie sich bitte in die Lage von Dr. George Shaw, Kurator am British Museum. Sie bekommen 1789 vom Gouverneur von New South Wales den getrockneten Balg und einige Zeichnungen eines Tiers zugesandt, das den Leib und Schwanz eines Bibers hat, aber die Vorder-Füße und den Schnabel einer Ente.

Schnabeltier aus Bertuch, Band 3 (um 1800), No. 80

Quadrupedia Aves
lebendgebärend legen Eier
Gebiss mit Zähnen haben einen Schnabel
säugen die Jungen säugen die Jungen nicht
vier Füße zweibeinig
mit Pelz gefiedert

(blau: Schnabeltiere)

Würden Sie aufgrund Ihrer zoologischen Bildung (Linné klassifiziert Vögel und davon deutlich unterschieden Säugetiere) nicht auch vermuten: at first view it naturally exites the idea of some deceptive preparation by artificial means – on a subject so extraordinary as the present, a degree of scepticism is not only pardonable but laudable?

Linnés System 1735: hier original (beachte die mittlere Region mit den Paradoxa; Lebewesen, die Linné nicht systematisch unterbringen konnte) – hier vereinfacht

Was tun? Sie inspizieren das Mönsterchen und findet keine Nähte zwischen den nicht zusammenpassenden Gliedmaßen. Sobald man zu einem zweiten Exemplar kommt, schickt es das Museum einem berühmten Anatomen, dem in Göttingen lehrenden Johann Friedrich Blumenbach (Mitglied der Royal Society), der das abentheuerliche Geschöpf seziert, keine Vorbehalte hat und im stark innervierten Schnabel ein Tastorgan vermutet.

Alsbald darf das Ornithorhynchus paradoxus getaufte Tier (dt. Schnabeltier) wirklich existieren. 1884 erbringt dann William H. Caldwell vor Ort den Beweis für eine weitere Monstrosität: das Tier legt Eier und säugt die Jungen.

Literaturhinweis: Harry Burrell, The Platypus. Its discovery, zoological position, form and characteristics, habits, life history etc., Sydney: Angus & Robertson 1927.

• Stellen Sie sich jetzt bitte vor, Sie seien der weitherum berühmte Dr. Conrad Gessner in Zürich und bekommen um 1530 von einem Maler das Bild eines im illyrischen Meer gefangenen Wesens, das den Oberkörper eines Menschen und einen Fischleib hat.

Conrad Gessner, De Piscium & Aquatilium animantium natura, Zürich 1558, S. 1197: Pan vel Satyrus marinus. / Deutsche Ausgabe: Fischbuoch. Das ist ein kurtze, doch vollkommne Beschreybung aller Fischen so in dem Meer und süssen Wasseren, Seen, Flüssen oder anderen Bächen jr Wonung habend, sampt jrer waren Conterfactur …, Zürych bey Christoffel Froschower im Jar als man zalt M.D.LXIII.

Als Universalgelehrter assoziieren Sie sofort den Triton der Mythologie und suchen nach Stellen bei antiken Schriftstellern, wo so ein Meermann vorkommt; da finden sich bei Aelian, Plinius, Pausanias etliche Beschreibungen. Weil das Monstrum auf dem Bild Hörner hat, denken Sie auch an Pan und da erinnern Sie sich an die von Plutarch überlieferte Geschichte:

Reisende auf einem Schiff vernehmen in der Nähe der Insel Paxos eine Stimme, die ruft: ›Wenn ihr bei Palodes vorbeifährt, sagt, dass der große Pan gestorben sei.‹ Alle wundern sich betroffen. Am Ort Palodes ruft der Steuermann, worum sie gebeten worden waren: ›Der große Pan ist tot.‹ Darauf erhebt sich ein großes Seufzen vieler Stimmen im Meer.

Plutarch, Moralia, Über den Verfall der Orakel, ¶ 17; hrsg. von Christian Weise und Manuel Vogel, [Neusatz und Revision der Übersetzung von Bähr / Reichardt / Rösch / Schnitzer, Stuttgart 1828–1861], Wiesbaden: marixverlag 2012, Band 1, S. 720f.

Ist das nicht ein vortrefflicher Beweis dafür, dass es dieses Wesen Pan gibt?

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Leitvorstellungen und Schlüsselbegriffe: Neugierde, ›historia‹, Allegorese, Physikotheologie

Was als monströs oder paradox gelten soll, hängt vom je verschiedenen Vorverständnis der Menschen ab. Ein uns begegnendes Wesen (Mensch, Tier, Pflanze) gilt dann als monströs, wenn es von einer alltäglichen und kulturell eingeübten Normvorstellung abweicht und dennoch als faktische oder psychische Realität akzeptiert werden muss. Für Kinder oder Menschen, deren Normen nicht stark fixiert sind, können Wesen als nicht-monströs gelten, die den punkto Normerwartungen Eingeübten als Monstrum vorkommen. (Wenn es, wie Konrad Lorenz einmal formulierte: »für den Forscher ein guter Morgensport ist, täglich vor dem Frühstück eine Lieblingshypothese einzustampfen«, dann sollten eigentlich den Naturforschern prima vista keine Monstren begegnen, weil ihr Blick offen ist für Unerwartetes.)

Neugierde (lat. curiositas) ist unter Naturwissenschaftlern seit der Antike eine Tugend. Das Wort curiosus bedeutet, bezogen auf die Haltung eines Menschen ›aufmerksam, interessiert, wissbegierig, offen für Ungesichertes‹, bezogen auf die damit erkundete Sache ›eigenartig, merkwürdig, seltsam, sonderbar, ausgefallen‹. Cicero schreibt einmal (de natura Deorum I, ¶ 97):

Selbst die wissbegierigsten (curiosissimi) Menschen können mit ihrer Forschung (exquirendo) nicht von so vielen Lebewesen Kunde bekommen, wie es gibt, auf dem Lande, im Meer, in Sümpfen und Flüssen; sollen wir ihre Existenz nur deshalb bestreiten, weil wir sie niemals gesehen haben?

In der »Encyclopédie« heißt es im Artikel Curiosité (tome IV, 1754):

Cette idée nous fait non-seulement appercevoir notre ignorance, mais elle nous excite encore à acquérir, autant qu’il est possible, une connoissance plus exacte & plus complete de l’objet qu’elle représente. […] Mais ces sensations, ces perceptions, pour être un peu fructueuses, demandent un travail, une application continuée; autrement nous ne retirerons aucun avantage de notre curiosité passagere.

Literaturhinweis: Klaus Krüger (Hg.), Curiositas. Welterfahrung und ästhetische Neugierde in Mittelalter und früher Neuzeit, Göttingen: Wallstein 2002 (Göttinger Gespräche zur Geschichtswissenschaft, Bd. 15).

Die Suche nach Unbekanntem hat den Sammeleifer der Forscher beflügelt. Das 16. Jh., das 17. und die erste Hälfte des 17. Jahrhunderts waren die Epochen der großen Sammlungen: Zitate aus den verehrten antiken Schriftstellern wurden in Büchern zusammengestellt, Naturalien und Artefakte in Museen Kuriositätenkammern. Das Wort curios kam in Büchertiteln unzählige Male vor.

Eine Blütenlese aus damaligen Buchtiteln: »Schau-Platz, vieler curiösen, sonder- und wunderbaren Begebenheiten« – »Lustige Schau-Bühne von allerhand Curiositäten« – »Denckwürdige Curiositäten« – »Observationes Curioso-Physicae« – »Allerhand ausserlesene, rar- und curiose, so nütz- als ergetzliche Merckwürdigkeiten» – »Curiose und fruchtreiche Discursen« – »Novellen aus der gelehrten und curiösen Welt« – »Anleitung zu denen Curiösen Wissenschafften« – »Gröste Denckwürdigkeiten dieser Welt, oder so genannte Relationes curiosae« – »Acta erudita et curiosa« usw. –

Der Curiose sammelt zunächst wissbegierig; unter seinen Exponaten wünscht er sich Curioses; kritisches Ausscheiden vertagt er meist.

Literaturhinweis:

Ulrich Stadler / Magnus Wieland, Gesammelte Welten. Von Virtuosen und Zettelpoeten, Würzburg Königshausen & Neumann 2014.

In den Werktiteln der älteren Tierkunde seit Aristoteles findet sich immer wieder der Begriff historia: »Historia Naturalis«; »Historiæ animalium»; »The history of four-footed beasts; »Histoire naturelle«; »Naturgeschichte und Abbildungen der Säugethiere«. Das Wort darf man nicht unbesehen mit dem modernen Wort ›Geschichte(n)‹ übersetzen; es stammt von griechisch historeo ›erforschen, erkunden, beobachten, in Erfahrung bringen, das Erforschte berichten‹. Historia meint den Bericht über Erfahrungen, Aufzeichnung unverbundener Tatsachenwahrheiten (im Gegensatz zu einem System kausal begründeter Wahrheiten).

Literaturhinweise:

• Joachim Knape, ›Historie‹ in Mittelalter und früher Neuzeit. Begriffs- und gattungsgeschichtliche Untersuchungen im interdisziplinären Kontext, Baden-Baden: Koerner 1984 (Saecula spiritalia 10).

• Arno Seifert, Cognitio historica. Die Geschichte als Namengeberin der frühneuzeitlichen Empirie, Berlin: Duncker und Humblot 1976 (Historische Forschungen Bd. 11).

• Gianna Pomata / Nancy Siraisi (Eds.), Historia. Empiricism and erudition in early modern Europe, Cambridge, Mass.: MIT Press 2005 (Transformations. Studies in the history of science and technology).

In dieser Tradition steht die ältere Tierkunde. Ihr – die Grenze zur moderneren Zoologie ist chronologisch nicht scharf bestimmbar , aber das Gesagte ist gerade ein Wesensmerkmal – ging es nicht darum, neue Erkenntnisse zu gewinnen, sondern um die Verwaltung und das Bereitstellen von vorhandenem Wissen, egal, ob dieses aus der Antike stammte oder aus jüngsten Berichten. (Scharfsinnige Autoren wie Conrad Gessner haben immerhin miteinander in Widerspruch stehende Aussagen kritisch gegeneinander abgewogen.) Das ist kein Unvermögen, sondern dahinter steht das Konzept historia.

Bei der Frage, was die Erkundung von Eigenschaften einzelner Tiere angeregt hat, müssen noch zwei spezifisch dem Christentum innewohnende Faktoren bedacht werden.

(A) Die Auslegung der Heiligen Schrift und die Anreicherung der Predigt funktionierte von der Spätantike bis ins 17. Jahrhundert nach dem Prinzip der Allegorese. Die Allegorese zergliedert ein in der Bibel oder in der Schöpfung vorkommendes Ding (Steine, Pflanzen, Tiere und andere Naturerscheinungen) nach seinen Eigenschaften, von denen aus der Ausleger den Sprung in die ›eigentlich gemeinte‹ geistige Welt bewerkstelligen kann.

Beispiel: Die Schlange streift im Alter die Haut ab und verjüngt sich auf diese Weise; daraus lässt sich der geistige Schriftsinn gewinnen: Also soll auch der fromme Christ seinen alten Adam ›abstreifen‹ (Augustinus, »De doctrina christiana« II,xvi,24).

Die poetische Verschlüsselung eines abstrakten Gedankens in einem konkreten Bild nennen wir ›Allegorie‹, das Decodieren eines konkreten Bildes auf einen abstrakten Gedanken hin nennt man mit einem modernen Fachterminus ›Allegorese‹. Mittels Allegorese wird aus einer anschaulichen Schilderung der vermutete ›Hintersinn‹ des Bibelworts heraus-interpretiert (oder meist: ihm unterlegt).

Die Eigenschaften des auszulegenden Dings haben die Ausleger freilich nicht durch Betrachtung der Natur gewonnen, sondern aus alten Enzyklopädien abgeschrieben. Das Verfahren funktioniert besonders gut bei monströsen Wesen, die beispielsweise als Personifikation des Lasters aufgefasst und Glied-um-Glied in die religiöse Welt übertragen (und so gleichsam entsorgt) werden.

(B) Das Denkmodell der Physikotheologie führt zu einer liebevollen Versenkung in die Welt der Erscheinungen. Die sinnlich erscheinende Welt (der Wuchs der Pflanzen, der Instinkt der Tiere, die Anatomie des Menschen) ist erstaunlich gut funktionsfähig und zweckmäßig eingerichtet; sie ist – für jemand, der an die Schöpfung der Natur durch Gott glaubt – ein vernünftiger Beweisgrund für die Existenz Gottes bzw. Anlass, um seine Allmacht, Weisheit und Güte zu erkennen und Anlass für sein Lob und die Liebe zu ihm. Ein guter Teil der modernen Biologie verdankt ihren Impetus dem physikotheologischen Interesse; als Beispiel seien die Forschungen von Jan Swammerdam (1637–1680) genannt. Hier ist für Phantastisches kein Platz – der Blick durchs Mikroskop auf die Larve eines Kuhkäfers zeigt indessen etwas ziemlich Monströses:

Jan Swammerdam (1637–1680), Bibel der Natur, worinnen die Insekten in gewisse Classen vertheilt, sorgfältig beschrieben, zergliedert, in sauberen Kupferstichen vorgestellt, mit vielen Anmerkungen über die Seltenheiten der Natur erleutert, und zum Beweis der Allmacht und Weisheit des Schöpfers angewendet werden, Leipzig: Gleditsch, 1752; Tafel XXXIX. > http://edoc.hu-berlin.de/ebind/hdok/H66_Swammerdam/XML/

Literaturhinweis: Paul Michel, Physikotheologie. Ursprünge, Leistung und Niedergang einer Denkform (= Neujahrsblatt auf das Jahr 2008, hg. von der Gelehrten Gesellschaft in Zürich), Zürich 2008.
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Büchergelehrsamkeit, Correspondentz und Observation. Wie zoologische Werke zustande kamen

Über die einheimischen Tiere wussten diejenigen, die mit ihnen umgingen, immer recht gut Bescheid. Das zeigen die Abhandlungen über Haustiere, etwa Vergils »Georgica« oder die Hausväterbücher des 17./18. Jahrhunderts, oder die Jagdtraktate, allen voran »de arte venandi cum avibus« von Kaiser Friedrich II. (1194–1250).

Wir müssen uns Rechenschaft geben, wie das Wissen über exotische Tiere zustande kam, bevor ausgebildete Zoologen in fremde Gebiete reisten. Den Autoren kamen nur in seltenen Fällen lebende Tiere vor Augen; sie schöpften ihre Kenntnisse aus älteren Büchern oder aus Berichten von Reisenden. Schien ein Bericht unglaubwürdig, so konnten sie ihn nicht durch empirische Anschauung falsifizieren.

Plinius (der Ältere; ca. 23/24 – 79) beschreibt – woher auch immer er das weiß – wie die Tier-Enzyklopädie des Aristoteles zustande gekommen sei: Alexander der Große, von der Begierde entflammt, die Natur der Tiere zu erkennen, beauftragte Aristoteles mit diesen Forschungen, und einige tausend Personen in ganz Asien und Griechenland, die sich alle durch Jagd, Vogelfang und Fischerei ernährten und Tiergärten, Herden, Bienenstöcke, Fischteiche und Vogelhäuser zu besorgen hatten, erhielten Befehl, seinen Wünschen zu entsprechen, damit kein Lebewesen unbekannt bleibe. Nach ihren Berichten verfasste Aristoteles nahezu fünfzig bedeutende Bücher über Tiere. (Naturalis historiae Liber VIII, xvii, 44)

Conrad Gessner (1516–1565) zitiert die Plinius-Anekdote ausführlich im Widmungsbrief seiner »Historia Animalium« und hängt – wohl gerichtet an die knausrige Zürcher Obrigkeit – Überlegungen an zum Geld-Betrag, den der König dem Aristoteles zukommen ließ. In der Præfatio ad lectorem charakterisiert er seine Arbeitsweise so: Teils liest er am Schreibtisch Bücher und macht Auszüge; dem fügt er eigene Beobachtungen hinzu (his plurimas observationes proprias adieci); außerdem befragt er auf dem Korrespondenzweg Sachkundige aus ganz Europa: Gelehrte, aber auch Reisende, Jäger, Fischer, Vogelfänger, Hirten. (C. Gessner, De Quadrupedibus Uiuiparis, Zürich 1551, Epistola Nuncupatoria; englische Übersetzung bei C. Gmelig-Nijboer (1977), S. 145ff.)

Eine Zusammenstellung der Schwierigkeiten bei der Materialbeschaffung findet sich bei Michel Bernhard Valentini (1657–1729), der eine Enzyklopädie frembder Naturalien zusammengestellt hat. Er schreibt in seinem »Ost-Indianische Send-Schreiben« im Eingang:

Unter andern Hülff=Mitteln und Subsidien, deren man sich in Unterforschung der Natur und Erfindung heilsamer Artzneyen bedienet/ ist eine fleissige Correspondentz und Schrifft=Wechselung mit ausländischen Freunden nicht das geringste/ als welche nicht allein den Kauff= und Handels=leuten/ absonderlich den Specerey=Händlern sehr nötig und profitirlich ist/ sondern auch den Gelährten den Weg zu vielen sonst unbekandten Dingen bahnet. […].

Absonderlich aber hat man dergleichen Correspondentz wegen derjenigen Naturalien/ so in sehr weit entlegenen Ländern/ als Ost= und West=Indien hervorkommen/ sehr vonnöthen/ indem diejenige/ so anderer Gewerben und Geschäfften wegen dahin reisen und nachmahlen in ihren Itinerariis oder Reiß=Beschreibungen derselben gedencken/ offt keinen rechten Unterricht davon haben/ sondern alles vom hören sagen melden/ ja zuweilen sich eine Freude machen/ wann sie von weitem sicher lügen können.

Und dieses mag die Ursach seyn warum die so vorsichtige Ost=Indianische Compagnie in Holland diejenige Commissarios, welche sie in ihre Plantagen und andre Oerter abschicket/ zuvor in Eyd und Pflichten nehmen/ daß sie in ihren Berichten und Rapporten nichts als die pure lautere Wahrheit schreiben oder vorbringen wolten/ welchen dann desto eher zu glauben und zu trauen ist. Nachdem aber offters auch diese sehr schlechte Natur=Kündiger sind/ sondern sich vielmehr um dasjenige/ was zur Handlung dienet/ bewerben und bekümmern: so muß man sich zugleich an diejenige curiose und gelährte Leute/ welche sich in den Indianischen Orten häußlich nieder gelassen/ und alles/ was zur Naturkündigung und Artzney=Kunst gehöret/ genauer zu untersuchen vollkommene Gelegenheit haben/ halten […].

Michel Bernhard Valentini, Ost-Indianische Send-Schreiben, von allerhand raren Gewächsen, Bäumen, Jubelen, auch andern zu der Natur-Kündigung und Artzney-Kunst gehörigen Raritäten, […], Franckfurt a. M.: Zunner & Jungen 1714.

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Unzulängliche Klassifikation

Aristoteles (384–322) hatte das Tierreich – intuitiv und weitgehend auf das äußere Erscheinungsbild der Tiere gestützt – folgendermaßen systematisiert: Bei den Bluttieren (das sind die Tiere mit rotem Blut im Gegensatz zu den Insekten und Mollusken) unterscheidet er vereinfacht gesagt: Säuger (mit Haaren), Vögel (mit Federn), Reptilien (mit Schildschuppen), Fische (mit Fischschuppen). Aristoteles, Tierkunde. Übersetzt von Paul Gohlke, Paderborn: Schöningh 1949 (Aristoteles: Die Lehrschriften Bd. 8,1) Spätere Autoren unterscheiden etwas anders: lebendgebärende Vierfüßer und eierlegende (Reptilien). Innerhalb der Großgruppen wurde nicht genauer unterteilt; das Werk von Plinius lässt hier keine Ordnung erkennen; ebensowenig Isidor von Sevilla in den »Etymologien« und Hrabanus Maurus in seiner »de universo« genannten Enzyklopädie (9. Jahrhundert).

Bartholomaeus Anglicus in »De proprietatibus rerum« (nach 1235), Thomas von Cantimpré in »Liber de natura rerum« (1225/1241) ordnen die Tiere  a l p h a b e t i s c h. Albertus Magnus († 1280) übernimmt das in den Büchern 22–26 von »De animalibus libri XXVI«; der Druck von Alberts »Thierbuch« von 1545 übernimmt dies Ordnung (Es ist also nicht so, dass Conrad Gessner der erste wäre mit einer Ordnung nach dem Abc)

Carl von Linné (1707–1778) unterscheidet in seinem taxonomisch angelegten »Systema naturae« (1735) das Tierreich feiner aufgrund der Form des Gebisses und anderer morphologischer Merkmale.

Solange eine biologisch begründete Systematik fehlt, lässt sich auch nur schwer ausmachen, ob ein bestimmtes Tier ›normal‹ (und das heißt: ins System passend) oder ›monströs‹ (und dann allenfalls mythisch oder poetisch oder ein Hoax) ist.

Conrad Gessner unterscheidet in seinem Fischbuch grob im Meerwasser und im Süßwasser lebende Wassertiere. Aber wir staunen, was hier alles zusammenkommt. Eine Auswahl:

Hering – Brachsmen – Egli – die Meerschwalbe (ein fliegender Fisch) – Stockfisch – Draco marinus (der aber aussieht wie ein normaler Fisch) – Aal – die Meerschlange aus der »Historia de Gentibus Septentrionalibus« des Olaus Magnus (eben gerade 1555 erschienen) – Butt – Makrele – Schwertfisch – Stachelrochen (mit der Warnung, man solle keinem Betrug aufsitzen: die Apotecker vnd andere landstreycher gestaltend die leyb der Rochen in mancherley gestalt mit abschneyden/ krümmen/ zersperren/ in Schlangen/ Basilischgen gestalt/ Tracken gestalt) – Blauhund (Galeus, Hai) – Meerschlegel (Hammerhai) – allerlei Wallfische (mit den phantasievollen Holzschnitten aus Ryffs »Thierbuch Alberti Magni«, 1545, und aus Olaus Magnus; Fangmethoden, Zerlegung an Land) – Rosmarus (das Walross heißt heute noch Odobenus rosmarus) – Delphin (mit Anatomie des Schädels und der Geschichte von Arion) – Thunfisch – Meerkalb (Phoca, Seehund) – ein erdichtetes Meerpferd – Meerschildkröte (Testudo marina) – Polypus und Sepia – Nautilus – Quallen (Urtica marina) – Krabben –Garnelen – Muscheln – Schnecken – Meerigel – Seesterne – Seepferdchen – Karpfen – Barben – Hecht – Lachs – Wels – Stör – Wassermaus – Krebse – Blutegel – Wasserochs (Hippopotamus, das Nilpferd) – Biber (nur in der lat. Ausgabe) – Frosch (do.).

De Piscium & Aquatilium animantium natura, 1558; deutsche Übersetzung 1563. Digitalisat der deutschen Übersetzung > http://dx.doi.org/10.3931/e-rara-5026

Wenn man das 1642 postum erschienenen Buch »Monstrorum historia« von Ulisse Aldrovandi (1522–1605) durchblättert, so fällt auf, welches Allerlei hier versammelt ist: Da findet man Gestalten aus dem Repertoire der ›Völker des Ostens‹ (z.B. Kranichschnäbler, Kynokephalen), natürliche Entstellungen (Hypertrichose, Hermaphroditen, siamesische Zwillinge), Erscheinungen aus der antiken Mythologie (Satyrn, Kentauren, die Chimäre, Harpye), allegorische Figuren (Mönchskalb, Krakauer Monstrum), ägyptische Gottheiten, Prodigia im Stile des Lycosthenes, seltsame Wesen in der Natur (die Drachen, das Meer-Schwein) – all diese Wesen werden mit demselben wissenschaftlichen Ernst beschrieben wie einheimische Wölfe, Nachtigallen, Bienen. (Ulisse Aldrovandi, Monstrorum Historia, Préface de Jean Céard, Les Belles Lettres / Nino Aragno Editore, Paris/Turin 2002.)

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Migranten zwischen den literarischen Gattungen

Wir unterscheiden heutzutage ganz selbstverständlich, in welchen literarischen oder ikonographischen Gattungen oder medialen ›Sendegefäßen‹ die Darstellung eines Monstrums erscheint, und ordnen ihm aufgrund des Mediums Realitätscharakter (+) zu oder sprechen ihm diesen ab (ø).

Beispiele: Heraldik (ø) — Kinderbuch (ø) — Enzyklopädie (+) — politische Karikatur (ø) — Tierfilm von Sir David Attenborough (+) — Fantasyliteratur (ø) — Werbung (ø) — usw.

Wenn wir die Bibel noch in Betracht nehmen, so erkennen wir, dass auch die Einstellung zum Text eine Rolle spielt: ein fundamentalistischer Ausleger wird den Leviatan (Hiob 40,25 – 41,26) anders einschätzen als ein mythengeschichtlich orientierter Exeget.

In früheren Zeiten hatte man offenbar für solche Zuordnungen ein schwach ausgeprägtes Bewusstsein: Texte und Bilder werden per ›copy paste‹ nicht nur von älteren Werken in jüngere übernommen, sondern werden gelegentlich auch von einem Werk einer bestimmten Gattung in eines überführt, das wir heutzutage einer anderen Gattung zuordnen würden.

Erstes Beispiel:

Eine Haupteinfallspforte für monströses Getier sind die Reiseberichte. Ihr Realitätsgehalt ist seit alters nicht immer über jeden Zweifel erhaben. Marco Polo († 1324), der öfters betont, er berichte nur, was er mit eigenen Augen gesehen habe, flunkert bisweilen. Walter Raleigh, der 1595 eine Expedition nach Südamerika durchgeführt hat, will dort ein kopfloses Volk angetroffen haben, das das Gesicht auf der Brus trägt: die seit der Antike bekannten Blemmyer (vgl. Plinius, nat. hist. V, viii, 46: Blemmyes traduntur capita abesse, ore et oculis pectore adfixis).

Kurtze Wunderbare Beschreibung deß Goldreichen Königreichs Guianae in America/ oder newen Welt, vnter der Linea Aequinoctiali gelegen: So newlich Anno 1594. 1595. vnnd 1596. von dem wolgebornen Herrn, Herrn Walthero Ralegh, einem englischen Ritter/ besucht worden: Erstlich auß befehl seiner Gnaden in zweyen Büchlein beschrieben/ darauss Iodocus Hondius, ein schöne Land Taffel/ mit einer niderländischen Erklärung gemacht, jetzt aber ins Hochteutsch gebracht/ vnd auss vnterschietlichen Authoribus erkläret. Nürnberg: Hulsius 1599. > http://digital.slub-dresden.de/werkansicht/dlf/10407/1/

Conrad Gessner hat seine Tierbücher immer wieder aufgrund der neuesten Lesefrüchte und Zusendungen von Briefpartnern ergänzt. In der gekürzten Ausgabe des Tierbuchs stellt er ein Tier namens Su vor, das dem eben gerade erschienenen Bericht des Brasilienreisenden André Thevet (1516–1590) entlaufen ist.

Ceste beste est fort rauissante, faite d’vne façon fort estrange, pour quoy ie la vous ay bien voulu representer par figure. [André Thevet], Les singularitez de la France antarctique, autrement nommée Amérique, et de plusieurs terres et isles découvertes de nostre tems, Anvers: Chr. Plantin 1558 und Paris: de la Porte 1558.

In der lateinischen Erstausgabe »de Quadrupedibus uiuiparis« 1551 und in den »Icones« 1553 kannte Gessner das Tier noch nicht. Gessner besaß die Pariser Ausgabe des Werks von Thevet und die von Antwerpen; beide hat er eifrig annotiert; vgl. Urs Leu (1992). In der deutschen Übersetzung von 1563, wo es dann auch das Titelblatt ziert, ist es Das aller schützlichest thier so geseyn mag/ Su genant in den neüwen landen.

Thierbuoch Das ist ein kurtze bschreybung aller vierfüssigen Thieren/ so auff der Erden und in wassern wonend, sampt jrer waren Conterfactur … Erstlich durch den hochgeleerten D. Cuonrat Geßner in Latin beschriben/ yetzunder aber durch D. Cuonrat Forer zuo mererem nutz aller mengklichem in das Teütsch gebracht, Zürych bey Christoffel Froschower im Jar als man zalt M.D.LXIII; fol CXLVIII > http://dx.doi.org/10.3931/e-rara-5027

Zweites Beispiel:

Conrad Lycosthenes (1518–1561) publiziert 1557 auf lateinisch und deutsch ein mit gegen zweitausend (oft wiederholten) Holzschnitten ausgestattetes Buch, bestehend aus einer chronologisch geordneten Aufzählung von ›Wunderwerken Gottes‹, ›Prodigien‹, Erscheinungen, die ungewöhnlich sind (praeter naturae ordinem, motum, et operationem), von den üblichen Ordnungsregeln der Natur abweichen. Diese Monstra werden verstanden als Fingerzeig Gottes, der mahnt und droht; freilich werden die Ermahnungen selten ausgetextet.

Hier heißt es zum Jahr 1523, im September sei in Neapel ein Strobelstern (Komet) erschienen. Dann (in der deutschen Übersetzung von Johann Herold):

So grausam wätter kam mit plitzg/ donner vnnd anderm/ das gleich das feür vom himmel fiel hauffenweys. Es kam darzuo ein erdbidem/ ein wolckenbruch/ vnd grausame güß […]. Dann: Den dritten Weynmonat zuo Rom an der Schiffländt/ do sah man ein mhörwunder/ das was ein fräuwlin/ hat ein Igelßhauben/ sah schier einem affen glych mit dem angesicht mit den ohren einem hund. Er bringt das Monstrum in Zusammenhang mit der Eroberung von Rhodos durch die Türcken im selben Jahr.

Conrad Lycosthenes, Wunderwerck oder Gottes unergründtliches vorbilden, das er inn seinen gschöpffen allen, so Geystlichen, so leyblichen ... von anbegin der weldt, biß zu unserer diser zeit, erscheynen ... lassen: Alles mit schönen Abbildungen gezierdt ..., durch Johann Herold ... Verteütscht, Basel: Petri 1557. – Reprint Hildesheim: Olms 2007.

Gessner bringt im Fischbuch (1558) das Bild eines Meerwunders, das am 3. November 1523 in Rom gefunden worden sei. Auch er nennt den Wolkenbruch in Neapel im September 1523, aber der lateinische Text verwendet andere Worte.

Dises gegenwirtig Meerwunder ist zuo Rom gesehen worden/ in dem grösseren gestad den dritten tag Wintermonats deß 1523. jars. In der grösse als ein fünff järigs kind/ in sölcher gestalt gantzlich wie es sich hie erzeigt. (deutsche Übersetzung von Forrer 1563)

Das zugehörige Bild ist in der lat. Ausgabe 1558 angeschrieben mit Monstrum marinum, ex tabula quadam impressa in Germania olim. Bei diesem ›einst in Deutschland gedruckten Bild‹ handelt es sich um ein Flugblatt mit deutschen Text und dem Bild des aus Fischleib und Frauenoberkörper zusammengesetzten Monstrums, gedruckt bei Johann Grüninger in Straßburg 1523. (Das Blatt ist abgedruckt und kommentiert bei Ingrid Faust, Band V, # 759)

Conradi Gesneri medici Tigurini Historiae animalium liber IIII. qui est de piscium & aquatilium animantium natura: cum iconibus singulorum ad vivum expressis …, Tiguri: apud Christoph. Froschoverum, anno 1558. pag. 522 > http://www.e-rara.ch/zuz/content/pageview/5356831

Beide Autoren haben dasselbe Flugblatt verwendet (und dessen deutschen Text verschieden ins Lateinische übersetzt). Dass Lycosthenes sein Buch aus Flugblättern mit Wunderberichten speist, ist nicht erstaunlich, dass der Naturforscher Gessner solche Quellen beizieht, aber schon.

Drittes Beispiel:

Der Verleger Sigmund Feyerabend (1528–1590), ein ausgebildeter Formschneider, war ein Ikonomane. Er konnte wohl auf einen Fundus von Druckstöcken zurückgreifen, die er aus in Konkurs gegangenen Druckereien erworben hatte, und illustrierte damit ziemlich wahllos seine Erzeugnisse.

In der deutschen Übersetzung der Plinius-Teilausgabe (1565) verwendet er beispielsweise

zum Kapitel über den Wolf (Plinius, nat. hist. VIII, xxxiv; S. 136) das Bild von der Romulus und Remus säugenden Wölfin aus einer Ausgabe von Livius, die in seinem Verlag erschienen ist; vgl. Neuwe Livische Figuren/ Darinnen die gantze Römische Historien künstlich begriffen und angezeigt. Geordnet und gestellt durch ... Johann Bockspergern von Saltzburg, den jüngern und mit sonderm fleiß nachgerissen durch ... Joß Ammann von Zürych. Nachmals mit Teutschen Reimen kurtz begriffen und erkl. durch Heinrich Peter Rebenstock ... Franckfurt am Mayn: Raben und Hauen, 1573.

Für den Löwen (Plinius, nat. hist. VIII, xviii–xxi; S. 116) greift er zurück auf den Holzschnitt mit Samson und dem Löwen aus einer Bilderbibel: Jost Amman / Hans Bocksberger, Neuwe biblische Figuren deß Alten und Neuwen Testaments Frankfurt/Main: Rab, Han und Feyerabend 1564. (Es ist aber nicht derselbe Druckstock.)

Im Kapitel über den Drachen (Plinius, nat.hist. VIII, xiii – xiv; S. 103ff.) bringt er

zunächst einen Holzschnitt, den er wie viele andere aus dem »Thierbuch Alberti Magni« übernimmt, und dann vier Holzschnitte, die Virgil Solis für die Ausgabe von Ovids Metamorphosen erschaffen hat:

• Apollo tötet Python (Met. I, 438ff.)

• Iason schläfert den Drachen ein (Met. VII, 149ff.)

• Cadmus tötet den Drachen (Met. III,31ff.) – unsinnigerweise ist der Kampf von Herkules gegen Cerberus (Met. VII, 420ff.) dazu gesetzt. [Hierzu unten kein Bild]

Caij Plinij Secundi / Des furtrefflichen Hochgelehrten Alten Philosophi / Bücher und schrifften / von der Natur / art vnd eigenschafft der Creaturen oder Geschöpffe Gottes […] Frankfurt: Sigmund Feyerabend 1565. — Bilder aus: Metamorphoses Ovidii, Argumentis quidem soluta oratione, […], summaque diligentia ac studio illustratae, […] una cum uiuis singularum transformationum Iconibus a Virgilio Solis, eximio pictore, delineatis, Frankfurt: G. Coruinus, S. Feyerabent, & haeredes VVygandi Galli, 1563.

Es wird also Bildmaterial aus der fabulösen Geschichtsschreibung (Livius), aus der Bibel und aus der Mythologie (Ovid) für die Illustration eines ›naturwissenschaftlichen‹ Werks übernommen.

Viertes Beispiel

Es gibt auch den Fall, wo ein monströses Tier aus einem ›zoologischen‹ Werk ins Flugblatt migriert. Gessner handelt im »Schlangenbuch« (postum erschienen 1587/1589) ausführlich über Drachen.

Er erwähnt hier auch exotische geflügelte Schlangen (wohl Draco volans, eine kleine Agame aus den tropischen Regenwäldern Südostasiens, deren hervorstehende Rippen von Haut überspannt sind, dass sie zu Gleitflügen im Geäst von Sträuchern und Bäumen befähigt ist) und bringt dazu eine Illustration, die er einem Werk von Pierre Belon (1518–1564) entnommen hat, worauf das Tier aber wie der Drachen des hl. Georg oder der hl. Margareta aussieht.

Les observations de plusieurs singularitez & choses memorables, trouvées en Grèce, Asie, Iudée, Egypte, Arabie, & autres pays estranges, redigées en trois livres, par Pierre Belon du Mans. [1. Auflage 1553] Anvers: Plantin 1555; fol. 236recto

Belon schreibt dazu: Et pource que nous sommes trouuez à voir des corps embaumez & tous entiers, de certains serpents ællez [in modernem Französisch: ailés], qui ont pieds, qu’on dit voler de la partie d’Arabe en Egypte, en auons cy apres mis le portraict.

Gessners Bild ist auf einem Flugblatt hundert Jahre später abgekupfert worden – das Tier mit Zunge und einem Pfeilschwanz angereichert. Der unverschämte Verfasser schreibt unters Bild:

Ein dergleichen abscheulicher Drach, ist in Eingang dieses 1683ten Jahrs, bey Mosbach in der untern Pfalz von vielen Leüthen, mit grosen entsezen angeschauet Worden, und haben Ihre Churfürstliche Gnaden zu Mainz, demselben durch dero Hofmahlern abmahlen lassen, dessen Corpus soll so gros und dick, als Ein Acht Eymrig Wein Vaß seyn; Was dieses für ein Prophet, ist Gott bekannt.

Universitätsbibliothek Erlangen-Nürnberg urn:nbn:de:bvb:29-einblatt-0370-2

Das Bild hat auch Athanasius Kircher (Mundus Subterraneus, 1664, Tom. II, Lib. VIII, Sect. IV, Cap. ii) verwendet, um den Draco helveticus bipes et alatus darzustellen:

Hier ist der Drache vierfüßig und geflügelt, wogegen Sulzer dann argumentiert (unten).

Fünftes Beispiel: Arzneimittel

Aus Tieren gewonnene Substanzen spielten in der Medizin eine große Rolle. Hildegard von Bingen (1098–1179) empfiehlt Drachenblut gegen Steinleiden. Man muss aber das Drachenblut für eine Weile in reines Wasser stellen, bevor man davon auf nüchternen Magen trinkt. (Physica, VIII, 1)

Die Artikel bei Conrad Gessner enthalten (in der Rubrik G) jeweils Angaben über die Verwendung des Tiers als Arzneimittel. Das Horn des Einhorns beispielsweise ist guot wider alles gifft, auch gegen die fallende Sucht und gegen den wütigen Hundsbiss. Mitte des 17. Jahrhunderts wurde allmählich erkannt, dass es sich bei diesen Hörnern um Zähne des Narwals handelt, der vor Grönland und Island gefangen wurde.

Diese Einsicht konnte aber seltsamerweise die überkommenen pharmakologischen Auffassungen nicht außer Kraft setzen. In einer postumen Neuausgabe von Gessners Tierbuch (1669–71) wird im Hinblick auf die Verwendung des Horns als Antidot der Text von Gessner wiederholt: die Krafft des Einhorns ist vornen an der Spitze heilsamer dann hinden, und man müsse aufpassen, dass man beim Kauf eines Stücks nicht betrogen werde (S. 80). Zwei Seiten später steht – und dies ist eine Zugabe des Bearbeiters:

Eben diese Einhorn aber/ so man zu Venedig weiset/ wie auch in Dännemark […] sind keine Einhörner von vierfüssigen Thieren/ davon so viele viel vom hören Sagen geschrieben/ keiner aber jemahlen ein solch vierfüssig Einhorn gesehen/ sondern sie stammen von dem Ißländischen Walfisch Narhual, der dieses Horn/ oder vielmehr Zahn führet.

Mit der Gleichzeitigkeit von Ungleichzeitigem ist immer zu rechnen.

Mehr zum Einhorn hier

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Argumentationsweisen der Kritik

• Verlässlichkeit von Zeugenaussagen

Solange keine Autopsie (griechisch: ›das Selbst-Schauen‹) möglich ist, muss man die Gewährsleute hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit einschätzen. Das kann verschieden ausfallen.

Plinius schreibt im Abschnitt über die Wassertiere:

Dem Kaiser Tiberius meldete eine eigens deswegen geschickte Gesandtschaft der Bewohner von Olisipo, dass man in einer Höhle einen Triton von der bekannten Gestalt gesehen und auf einer Muschel blasen gehört habe. […] Ferner schrieb dem Kaiser Augustus ein Legat aus Gallien, dass man mehrere tote Nereïden an der Küste gefunden. Von angesehenen Männern aus dem Ritterstand habe ich die Nachricht, sie hätten am Gaditanischen Ozean einen Meermenschen gesehen. (nat hist. IX, v, 9–10) Und einen Kaiser lügt man ja nicht an.

Albertus Magnus sagt einmal über Plinius, welcher schreibt, es gebe eine Art des Graureihers (Ardea), die nur ein Auge besitzt:

Dieser Plinius erzählt vieles, was ganz falsch ist, und seine Erzählungen sind diesbezüglich nicht weiter zu beachten (Plinius enim iste multa dixit falsissima et ideo in talibus non sunt curanda ipsius.) de anim. XXIII, ¶ 21.

Umgekehrt findet er die Schilderung des drachenartigen Tiers Draconcopodes mit Schlangenleib und Mädchenhaupt glaubwürdig; er habe von zuverlässigen Leuten gehört, dass ein solches Tier in einem Wald in Deutschland erlegt worden sei und dann allen, die es sehen wollten, gezeigt wurde, bis es verweste (XXV, ¶ 29).

Walther Ryff, der Kompilator/Übersetzer von Albertus Magnus (»Thierbuch Alberti Magni« 1545) kann auf derselben Seite einmal schreiben: Solinus ein glaubwirdiger Arzet schreibt/ das … und: wie Solinus in vielen dingen grosse lugen für warhafftige ding fürgibet, also sprichet er auch/ das (zur Amphibelena).

Auch das Schweigen von Koryphäen kann als Argument verwendet werden: (dass der Blick des Basilisken tötet) schreibt auch weder Avicenna noch Semerion/ welche beide trefliche hochperümte Philiosophi/ vnnd fürnemliche warhafftige erkünder natürlicher ding/ auch hier innsonderheit hoch erfaren/ darumb muß es on allen zweifel vnwarhafftig sein.

Zur Seriosität stellt Conrad Gessner einmal folgende Überlegung an: Gewiss verdient das, was durch die Übereinstimmung vieler Gelehrter durch die Jahrhunderte gesichert ist, am meisten Vertrauen. Und wenn etwas mit denselben Worten von mehreren Zeugen überliefert ist, ist es vertrauenswürdiger. (Ea certe magna ex parte fidem merentur, quæ multorum & eruditorum multis iam sæculis consensu muniuntur […]. A multis enim testibus res una si verbis ijsdem dicatur, eo fide dignior est. (Praefatio zu de Quadrupedibus uiuiparis, 1551)

Die Berichte über monströse Wesen werden nicht selten pauschal abgeschmettert; einige Beispiele:

Plinius (nat. hist. X, lxx, 136): Den Pegasus, einen Vogel mit Pferdekopf, und die Greife mit ohrenförmig gekrümmtem Schnabel halte ich für fabulös […], auch die Sirenen verdienen keinen Glauben.

Ryff: Gryphus soll ein Vogel sein/ vns mehr auß den Historien bekandt/ denn der erfarnuß oder schrifftlicher bezeugung der Philosophen vnnd fleissiger erkundung natürlicher ding; beim Habitat der Greifen ergänzt er die Angabe des Albertus Magnus (in Yperboreis montibus XXIII, ¶ 112: Hyperborea = sagenhaftes Land am äußersten Rand des Erdkreises) mit der ironischen Bemerkung: das ist drei meil hinder dem Schlauraffen landt. (Thierbuch Alberti Magni, s.v. Gryphus)

Zur Harpye (XXIII, ¶ 19) bringt Albertus Magnus missmutig die Beschreibung: ein Vogel mit Krallen und einem Menschengesicht, in der Wüste lebend und stets gefräßig und auf Raub aus. Dann schreibt er (in der Übersetzung von Ryff): aber solliches alles/ dieweil wir kein gewissen erfarung dauon haben/ achten wir es für ein erdicht Fabelwerck vnd grosse unuerschampte lugen.

• Frühe physiologische Überlegungen

Der für seine Mythen-Kritik bekannte Palaiphatos sagt bereits im 4. Jahrhundert v. u. Z. über die Kentauren, die man sich als Pferd mit Männerkopf vorgestellt hat:

Das ist unmöglich. Weder nämlich sind die Natur von Pferd und Mensch miteinander vereinbar, noch ist die Nahrung die gleiche, noch ist es möglich, dass durch einen menschlichen Mund die Nahrung für ein Pferd aufgenommen wird.

Palaiphatos sagt dann, wie es sich wohl wirklich verhalten habe: Bei den Kentauren handelt es sich um die Erfinder der Reitkunst, bei denen für Leute, die sie aus der Ferne sahen, nur der Pferderücken und der Oberkörper der Reiter sichtbar waren.

Titus Lucretius Carus (ca. 97 bis ca. 55) argumentiert in seinem gegen den primitiven Götterglauben gerichteten Lehrgedicht »de rerum natura« (Über das Wesen der Dinge) folgendermaßen:

Kentauren hat es nie und nirgends gegeben. Denn niemals können aus Doppelnaturen und doppeltem Körper sich Wesen bilden, zumal wenn sie Gliedern von fremder Gattung entstammen, deren Kräfte doch ungleich sind bei dem zwiefachen Ursprung. Selbst ein stumpfer Verstand kann dies nach dem Folgenden einsehn. Erstlich wird ein rüstiges Pferd nach drei Jahren erwachsen; nicht also das Kind; denn oftmals wird es auch dann noch schlafend die Mutterbrust, die ihm Milch spenden soll, suchen. Sodann, wenn mit nahendem Alter dem Ross die volle Kraft versagt und ihm längst schon die Glieder erschlafft sind, da erst beginnt der Knabe die blühende Jugend des Lebens, und mit wolligem Flaum umkleidet sich männlich die Wange. – Glaube drum nicht, es könnten aus tierischem Samen von Pferden und aus Menschen Kentauren entstehen und weiter so leben. (Lukrez, de rer. nat. 5. Buch, Verse 878ff.)

Albertus Magnus (um 1200–1280) übernimmt bezüglich der Kentauren die Ansicht des Aristoteles (den er über arabische Vermittlung in einer lateinischen Übersetzung kennt):

Er ist der Meinung, dass kein Monstrum aus der Vereinigung verschiedener Lebewesen entstehen könne: Dass eine solche Zeugung unmöglich ist, darauf verweist die Tragzeit, die sich bei den Lebewesen sehr unterscheidet. Mensch, Hund und Stier haben sehr verschieden lange Zeiten der Trächtigkeit ≈valde diversa suae impraegnationis habent tempora. (De animalibus XVIII, Tract. I, Cap. 6, ¶ 48)

• Augenzeugenbericht, Beobachtung, Empirie

Von der Bernickelgans – einer in Grönland brütenden Gänseart, wurde angenommen, dass sie aus Früchten entstehe, die von Bäumen abfallen. Nach der Meinung des Giraldus Cambrensis (1146–1223) ist an dieser wunderbaren Fortpflanzung nicht zu zweifeln: Wenn Gott den Menschen aus Lehm gemacht habe und die Bienen aus Honigwaben entstünden, warum sollen dann nicht Gänse auf Bäumen wachsen?

Giraldi Cambrensis opera, London: Her Majesty’s Stationery Office, 1861–1891 (Rerum Britannicarum Medii Aevi scriptores); Vol. 5: Topographia hibernica, ed. by James F. Dimock, S. 47ff.: Distinctio I, Cap. xv De bernacis ex abiete nascnetibus.

Konrad von Megenberg († 1374) sagt in seinem »Buch der Natur«:

Bachadis haizt ain bachad und haizt etswâ ain wek. daz ist ain vogel der wehst von holz, und daz holz hât vil äst an im, dar auz die vogel wachsent, alsô daz ir zemâl vil an dem paum hangt. die vögel sint klainer wan die gens und habent füez sam die änten, sint aber swarz an der varb reht sam aschenvar. si hangent an den paumen mit den snäbeln und hangent an den rinden und an den stammen der paum. si vallent pei zeit in daz mer und wahsent auf dem mer, unz si beginnent ze fliegen. (Buch der Natur IIIB, 11)

Schon früh wurde aber an dieser seltsamen Fortpflanzungsart gezweifelt: Albertus Magnus schreibt, es sei gelogen, wenn Leute behaupteten, dass dieser (in der Volkssprache boumgans) genannte Vogel auf Bäumen entstehe. Das sei unvernünftig, denn er und Ordensgenossen von ihm hätten diese sich paaren, Eier legen und Junge hecken gesehen: Et hoc omnino absurdum est, quia ego et multi mecum de sociis, vidimus eas et coire et ovare et pullos nutrire (de animalibus XXIII, 31).

Seltsamerweise hält Conrad Gessner 300 Jahre später die Erzählungen für völlig glaubwürdig (Vogelbuch s.v. Branta, fol. XXXIIIIr).

 

• Sprachtheorie dient der Kritik

Im Vogelbuch kommt Conrad Gessner auch auf den Greif zu sprechen. Plinius halte es für ein märly vnd fabel/ so von Greyffen gesagt wird. Als bestens ausgebildeter Philologe – was er mit seiner Schrift »Mithridates, oder über die Verschiedenheiten der Sprachen« (1555) beweist – fügt Gessner ein philologisches Argument hinzu:

Darumb kan man villicht diesem thier in allen spraachen kein besunderen namen finden/ sunder alle völcker brauchend den Griechischen namen Greyffen. Dann warumb woltend die menschen einem thier das nie gesähen/ oder villicht nienen ist/ oder in jrem land nit gefunden wirt/ einen namen geben? Dann daß die leychtfertigen Griechen einen namen da gemacht habend/ ist kein wunder/ dieweyl sy dann auch Centrauros/ Sphinges/ vnd andere dergleychen namen erdacht habend. (Vogelbuch, [Text der Ausgabe 1582], fol. LXVIIIr)

Für wirklich vorkommende Tiere gibt es in verschiedenen Sprachen verschiedene Wörter, zum Beispiel: Frosch – rana – βάτραχος – grenouille usw. Das Wort Greif dagegen haben alle Sprachen von den Griechen übernommen, so dass der Schluss naheliegt, es handle sich um eine literarische Fiktion, bei der die Benennung mit der Geschichte mitgewandert ist.

Greif aus Plinius 1565, S. 479, der den Druckstock von Ryff verwendet.

• Entstehung von Monstren durch missverstandene Symbolik

Sir Thomas Browne (1605–1682) hat eine Enzyklopädie von Irrtümern zusammengestellt, die er alle in der common infirmity of human nature begründet sieht: »Pseudodoxia Epidemica or Enquiries into very many received tenets and commonly presumed truths« (zuerst 1646, dann in sechs erweiterten Neuausgaben). Dass es Greifen gebe, bezweifelt er wie bereits andere; und er vermutet eine Herkunft aus einem missverstandenen Symbol:

The original invention seems to be Hieroglyphical, derived from the Egyptians, and of an higher signification. [...] Concerning the Hieroglyphical authority, although it nearest approach the truth, it doth not infer its existency. The conceit of the Griffin properly taken being but a symbolical phansie, in so intollerable a shape including allowable morality. So doth it well make out the properties of a Guardian, or any person entrusted; the ears implying attention, the wings celerity of execution, the Lion-like shape, courage and audacity, the hooked bill, reservance and tenacity. (The Third Book, chapt. 11: Of Griffins)

In der deutschen Übersetzung von 1680: Endlich/ was das Zeugnis der Egyptischen Bild=Schriften anbelanget/ so kommt dasselbe zwar der Wahrheit am nächsten/ es lässet sich aber daraus nicht schliessen/ daß solche Thiere in der Welt seyn. Denn wenn man die Meinung von den Greiffen nach ihren eigenen [dem der Ägypter] Verstande betrachtet/ so ist nichts anders darinnen zu finden/ als ein bloßes Sinnbild; und enthält in solcher zuläßigen Art eine gute Sitten=Lehre in sich. Sonderlich werden dadurch die Eigenschaften eines Verwalters/ oder einer Person/ der etwas vertraute ist/ sehr wohl vorgestellet: denn die Ohren bedeuten eine Aufmercksamkeit; die Flügel eine Geschwindigkeit etwas zu vollbringen; die Löwen=Gestalt einen Muth und Hertzhaftigkeit; der krumme Schnabel ein Ansichhalten und Sparsamkeit (III, xi, 5 = S. 602)

• Der Bauplan der Lebewesen dementiert Monstra

Insbesondere in der medizinischen Fachliteratur wird öfters die Amphisbaena erwähnt, beispielsweise in den »Theriaka« (über Bisse und Stiche giftiger Tiere sowie deren Behandlung) des Nikandros aus Kolophon (2. Jh. v.u.Z.): eine Giftschlange, die am hinteren Ende auch einen Kopf hat und in beide Richtungen kriechen kann.

Das monströse Wesen ist in Moralpredigten dienlich, etwa bei Aegidius Albertinus (um 1560–1620), der es aus der Enzyklopädie des Petrus Berchorius († nach 1361) kennt:

Amphisibena ein Schlang/ hat zween Köpff/ den einen vornen/ vnd den andern hinden im schwantz: Also findt man vil Menschen in der Welt/ welche zween Köpff der intentionen und meinungen haben in jhrem Wandel vnd Händeln/ und auß allen beyden jhr gift außlassen/ dann mit dem einen kopff vnd Angesicht lächeln sie dich an/ vnd liebkosen dir offentlich/ aber mit dem andern beissen vnd verkleinern sie dich heimblich.

zAegidius Albertinus, Der Welt Tummel- und Schaw-Platz. Sampt der bitter-süssen Warheit. Darinn mit einführung viler schöner und fürtrefflicher Discurscen, nit allein die Natürliche, sondern auch Moralische und sittliche Eigenschafften und Geheimnussen der fürnemsten Creaturen und Geschöpf sehr lustig, Geist- und Politischer Weiß erklärt, und auf die Weltläuf gezogen werden, München, bey Nicolao Henrico MDCXII.

Es erhoben sich gelegentlich Zweifel. So schreibt Wolfgang Franz, dessen Tierbuch von 1612 bis 1687 immer wieder aufgelegt wurde, kein Tier habe zwei Köpfe: Amphisbaena est ille serpens, quem fingunt bicipitem, sum tamen nullum animal habeat duo capita. Wenn es je eine zweiköpfige Schlange gegeben habe, dann sei dies entweder ein Phantasma Diaboli oder eine Missgeburt, wie es das selten einmal gebe. (Pars IV, Cap. iv, S. 740)

Thomas Browne begründet die Kritik an der Zweiköpfigkeit der Ambisbena in der »Pseudodoxia Epidemica« besser:

And were there any such species or natural kind of animal, it would be hard to make good those six positions of body, which according to the three dimensions are ascribed unto every animal, that is, infra, supra, ante, retro, dextrosum, sinistrosum: for if (as it is determined) that be the anterior and upper part, wherein the senses are placed, and that the posterior and lower part which is opposite thereunto, there is no inferiour or former part in this Animal; for the senses being placed at both extreams, doth make both ends anterior, which is impossible; the terms being Relative, which mutually subsist, and are not without each other. And therefore this duplicity was ill contrived to place one head at both extreams, and had been more tolerable to have setled three or four at one.

Und wenn ein solches Geschlecht von Thieren solte gefunden werden/ würden in demselben die sechs Stellen des Leibs gar übel können gefunden werden/ die doch nach den dreyen Ausmessungen einem jeden Thiere zugeschrieben werden/ als da sind/ unten/ oben/ fornen/ hinten/ rechts und lincks. (III, 15, deutsche Übersetzung 1680)

Dass die Lebewesen nach dem Naturgesetz in drei Dimensionen ausgerichtet sind (three dimensions are ascribed unto every animal, that is, infra, supra, ante, retro, dextrosum, sinistrosum), geht zurück auf Aristoteles, »De incessu animalium«. Damit ist ein Bauplan formuliert, der die Vorstellung eines solchen Wesens undenkbar schein lässt.

Aristoteles, Über die Bewegung der Lebewesen; Über die Fortbewegung der Lebewesen, übersetzt und erläutert von Jutta Kollesch, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1985. ¶ 2,3 = 704B

Johann Jacob Scheuchzer hat immer wieder über die Realität von Drachen nachgedacht, er hat Berichte von Bauern und Sennen gesammelt und visualisieren lassen.

Ουρεσιφοιτης Helveticus, sive Itinera per Helvetiæ alpina regiones facta […] à Johanne Jacobo Scheuchzero, Tigurino […], Lugduni Batavorum: Pieter van der Aa 1723; Tomus tertius, Fig. XI.

Im Jahr 1746 gibt Johann Georg Sulzer Scheuchzers »Natur-Geschichte des Schweitzerlandes« neu heraus und versieht es mit eigenen Anmerkungen. In einer Fußnote zu Scheuchzers Überlegungen argumentiert er in unserem heutigen Sinne biologisch:

Man kan durch fleißige Beobachtung der Wercken der Natur einige allgemeine Gesetzte entdecken/ nach welcher sie gehet/ und sie niemal übertritt. Wenn nun eine Erzehlung etwas in sich hält/ das den allgemeinen Gesetzen der Natur zuwider ist/ so hat man das beste Recht/ diese Erzehlung entweder gantz oder doch zum Theil vor falsch zu halten. Nach solchen Regeln nun müssen die folgenden Erzehlungen von den Drachen beurtheilt werden.
Es ist z.E. eine beständige Regel der Natur/ daß kein Thier ist/ welches aus Theilen von verschiedenen Classen der Thieren zusammen gesezt ist. Z.E. ein Thier das den Kopf von den vierfüßigen Erd-Thieren/ Flügel oder Füsse von den Vögeln/ einen Schwanz von Fischen hat/ streitet wider das bemeldte Gesetz. Also muß niemand glauben/ daß ein solches Thier in der Welt ist/ wenn gleich ein Reisender uns überreden wolte/ ein solches gesehen zu haben.
Diesemnach dörfen wir kecklich sagen/ daß in den folgenden Erzehlungen die Umstände gewiß falsch sind/ wo von Flügeln der Drachen geredt wird/ weil Flügel haben den Vögeln/ und nicht den Schlangen zusteht. Hat man aber nicht vierfüßige Thiere und Fische die Flügel haben? Ich antworte/ daß freylich bekannt und wahr ist/ daß es einige vierfüßige Thiere und Fische gibt/ welche fliegen/ aber sie haben solche Glieder zum Fliegen/ die mit den Flügeln der Vögel und der vermeynten Drachen keine Aehnlichkeit haben.
Bey den Fleder-Mäusen z.E. sind die Flügel nicht anders/ als eine Haut/ welche von einem Fuß zu dem andern gehet; es sind Füsse/ die etwas anders gestaltet sind/ als die Füsse andrer Mäusen. Bey den Fischen sind es Floßfedern/ welche wie die Floßfedern/ aber grösser sind. Was die ungeflügelten Schlangen mit vier Füssen betrifft/ so sind es entweder eine Art von Crocodillen/ oder/ wie ich lieber glaube/ ein Gedicht.
(#####)

Das ist eine Einsicht, die Sulzer noch vor den grundlegenden Überlegungen der Biologen gehabt hat. Etienne Geoffroy Saint-Hilaire (1772–1844) formuliert in seiner »Philosophie anatomique« (1818/22) die These, die Organisation der Tiere sei einem allgemeinen, nur hie und da modifizierten Plan unterworfen.

Auch Georges Cuvier (1769–1832) geht von festen Bauplänen bei den großen Tiergruppen aus.

Ebenso stellt Isidore Geoffroy Saint-Hilaire (1805–1861) in seiner »Histoire générale et particulière des anomalies de l’organisation chez l’homme et les animaux« (1832–37) fest, dass es für jede Art einen Bauplan, ein Organisationsgesetz gibt, von dem Individuen allerdings wegen Fehlentwicklungen in der Embryogenese leicht abweichen können.

Richard Owen (1804–1892) hat die Verschiedenheit des Baus der Tiere mit dem Konzept der Homologie erklärt (»On the archetype and homologies of the vertebrate skeleton« 1848): derselbe Bauplan der fünfstrahligen Extremität liegt beim Pferdefuß wie beim Fledermausflügel in spezifischen Abwandlungen vor.

• Bedürfnis nach Realität

Im Buch Hiob beschreibt Gott zwei gewaltige Tiere, die er geschaffen hat, um seine Größe und Schöpfermacht gegenüber Hiob zu demonstrieren: Behemot und Leviatan. In Luthers Übersetzung 1545:

SJhe/ der Behemoth/ den ich neben dir gemacht habe/ frisset hew wie ein ochse. Sihe/ seine krafft ist in seinen Lenden/ vnd sein vermügen in dem nabel seines Bauchs. Sein schwantz strecket sich wie ein Cedern/ die adern seiner Scham starren wie ein ast. Seine Knochen sind wie fest ertz/ Seine Gebeine sind wie eiserne stebe. […] Er ligt gern im schatten/ Jm rhor vnd im schlam verborgen. (Hiob 40,6–26)

Die beiden Wesen wurden gerne als Ausprägung des Teufels ausgelegt und als drachenartiges Scheusal gezeichnet. So etwa im »Liber floridus« (um 1120) des Lambert von St.-Omer oder in Herrads von Landsberg (vor 1178 bis 1196) »Hortus deliciarum« (fol. 84r). Samuel Bochart (1599–1667) hat in seinem erstmals 1663 erschienenen, umfänglichen Werk »Hierozoïcon Sive Bipertitum Opus De Animalibus S. Scripturæ« Behemot mit dem Nilpferd hippopotamus identifiziert, und zwar aufgrund rein philologischer Überlegungen, zum Beispiel durch einen Abgleich mit der Stelle in Herodots »Historien« (Buch II, 71)

Es ist ein Vierfüßler, die Hufe gespalten, wie beim Rind, die Nase stumpf, hat die Mähne eines Pferdes, die Hauer sind sichtbar, Schwanz und Stimme wie beim Pferd, groß wie das größte Rind. Seine Haut ist derartig dick, dass man aus der getrockneten Haut Speerschäfte macht.

Samuel Bochart, Hierozoicon Pars II, Lib. IV, Cap.15; eine Auffassung, welche die Alttestamentler noch heute teilen, vgl. Othmar Keel, Jahwes Entgegnung an Ijob, Göttingen 1978; S. 127ff.

Johann Jacob Scheuchzer freut sich, dass ihm die Nennung von Behemot in seiner »Jobi Physica Sacra« (1721) Anlass gibt zur Beschreibung nicht eines mythischen Wesens, sondern eines real existierenden Tiers. Er berichtet von Bocharts Feststellung und zitiert dann die Beschreibung des Präparats eines Nilpferds von Fabio Colonna (1567–1640), das 1603 in Ägypten gefangen worden sein muss; dann zitiert er ausführlich die Beschreibung aus dem Reisebericht von Jean Thévenot (1633–1667)

Jean Thévenot, Relation d’un voyage fait au Levant, dans laquelle il est curieusement traité des Estats sujets au Grand Seigneur […],Paris: L. Billaine 1665; Pars II, Cap. 72. – Happel zitiert Thévenot und bringt das Kupfer aus Ludolf: E. G. Happelii Vierter Theil. Grösseste Denkwürdigkeiten der Welt Oder so genannte Relationes Curiosæ. […] Hamburg: von Wiering, 1689, S. 60ff.

In der Überarbeitung des Kapitels (»Physica sacra« 1733) lässt Scheuchzer dann das Bild nachstechen, das Hiob Ludolf 1681 publiziert hat (übrigens mit der Bildüberschrift BEHEMOTH), und das auch von anderen Autoren kopiert wurde.

Hiob Ludolf, Historia Aethiopica sive brevis et succincta descriptio regni Habessinorum, Frankfurt: Zunner 1681; Liber I, Cap. XI: de Amphibiis & aquatilibus ubi de Hippopotamo qui est Jobi Behemoth.

Welche gedanklichen Voraussetzungen führen zu einer solchen Entmythologisierung? Bochart will den biblischen Text von Fehlübersetzungen reinigen. Er scheint davon auszugehen, dass die von Gott geschaffenen Tiere in den verschiedenen Kulturen nur verschieden genannt werden, und er versucht, die babylonische Sprachverwirrung durch eine Parallelisierung des Zusammenpassenden rückgängig zu machen; dazu sucht als Philologe in der gesamten antiken und altorientalischen Literatur die Pendants zu den in der Bibel erwähnten Tieren. Scheuchzer sucht genaue Beschreibungen in Berichten und Präparaten von naturkundigen Männern. Ihm geht es um den physikotheologischen Aufweis der Weisheit Gottes aus seiner Schöpfung, und dazu kann er keine mythischen Fiktionen gebrauchen, sondern nur real existierende Wesen.

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Faktizität oder Fiktivität?

Ulisse Aldrovandi stand in Kontakt mit dem für die Wissenschaften begeisterten Großherzog Francesco de’ Medici (1541–1587), in dessen ›Studiolo‹ er wahrscheinlich eine Skulptur oder ein Bild eines monströsen Hahns gesehen hat, das er in der »Monstrorum Historia« (S. 387f.) beschreibt und abbildet. (Man könnte vermuten, dass es sich um ein groteskes Ornament gehandelt hat, was im Umfeld des manieristischen Stils des Studiolo gut vorstellbar ist.)

Dessen Anblick habe ihm gewaltigen Schrecken eingeflößt (aspectus ita horrifici, vt intuentibus metum incuteret). Besonders auffällig war ein aus einem Geschwür beim After hervortretender schlangenartiger, fleischiger, nackter Schwanz. Dazu gesellt Aldrovandi ein aus Lycosthenes entnommenes Bild mit dem Text :

1488 Unweyt von Lucern in einem dorff Emmen geheissen/ ward ein hennen eye gefunden/ dorinnen stäcket ein wurm […] (hier in der Übersetzung von Herold)

Bild und Text werden von Gaspar Schott S.J. in der »Physica Curiosa« (1662) und von Athanasius Kircher S.J. im Kapitel über die unterirdisch lebenden Tiere, wozu er auch die Drachen zählt, übernommen (»Mundus Subterraneus«, 1664, Tom. II, Lib. VIII, Sect. IV, Cap. ii). Sein Thema ist hier der Ursprung solcher monströser Wesen, den er erklärt entweder durch die Entstehung aus Fäulnis (putredo) oder durch Vermengung der Keime verschiedener Tiere (confusio seminum). Es sei ja bekannt, dass ein Basilisk entstehe, wenn ein Hahn das Ei einer Schlange verschlinge; und das passt zum Bild, der Mischgestalt aus Schlange und Hahn.

Im Sensationsjournalismus eines Eberhard Werner Happel lebt das als real existierend gedachte Monstrum munter weiter. Er gibt in einem Nebensatz zwar zu, dass viele der Entstehung des Basilisken aus einem Hahnen=Ey wiedersprechen, bringt dann aber eine bunte Fülle von Faits divers, die den Fall bestätigen sollen und unter anderem auch Beschreibung und Bild (Holzschnitt) des seltzamen Hahns aus Aldrovandi. Gegen die Kritiker gewandt schreibt er:

Wenn man dasjenige/ in dessen Beschreibung die Naturkündiger und Historici nicht überein kommen/ alsobald vor ein Gedicht halten müste/ so wäre auch der Elephant/ der Drache/ der Paradieß=Vogel/ das Nasehorn und viele andere Thiere/ ein blosses Gedichte/ da es doch heute klar genug/ und am lichten Tage/ was man von disen Thieren zu halten habe/ ohnerachtet die Alten in so grosser Verschiedenheit davon geschrieben haben. (S. 228)

Happel, Gröste Denkwürdigkeiten der Welt, Band I, 1683, S. 223–231.

Immer wieder erfahren wir in den Medien über einen in der Tiefsee neu entdeckten Wurm oder über jüngst ausgegrabene Dinosaurer-Knochen (zum Beispiel Anzuwyliei). Ein YouTube-Video berichtet: Ein Forschungs-U-Boot wird von einer Riesenkrake angegriffen. Es sind Szenen wie aus einem Horrorfilm. Schauplatz dieser Attacke war das Beringmeer. (14.10.2014) Können wir immer sofort entscheiden: Was ist naturwissenschaftlicher Bericht und was ein Wolpertinger? Was haben wir als Entscheidungsgrundlage? Freilich, wenn monströse Tiere wie die Seefledermaus (Malthe vespertilio) oder der Fetzenfisch (Phyllopteryx eques) in Brehms »Thierleben« oder heutzutage in Wikipedia abgebildet sind, dann existieren sie wirklich …

Die Überprüfung, ob es das Wesen wirklich gibt oder ein Fake vorliegt, fällt je nach den Umständen und dem kulturellen Umfeld anders aus. Interessant ist, welches Interesse jeweils obwaltet und welche Argumente jeweils beigebracht wurden. Sie sind von unterschiedlicher Kategorie, und ihre Logik folgt nicht einem historischen Gänsemarsch: Kritik an monströsen Wesen hat es seit der Antike gegeben; umgekehrt glauben noch heutige Zeitgenossen an sie. Wir sollten uns also hüten vor dem ›master narrative‹, das unsere Vorstellung leitet, wonach das finstre Mittelalter in Renaissance und Aufklärung überwunden worden sei.

Dabei haben wir die Positionen und Techniken des Rechtfertigens und Dementierens von monströsen Wesen in wichtigen Genres kaum beachtet, etwa in der fiktionalen oder religiösen Literatur. Freilich hätte sich ein mittelalterlicher Romancier die poetische Realität eines Drachen, der von seinem Helden getötet wird, nicht nehmen lassen. Und ein Prediger wird allenfalls das apokalyptische Scheusal (Apokalypse 12,3f.; 13, 1–8; 17,1–18) allegorisch ausdeuten, aber kaum dessen religiöse Realität bestreiten wollen. .

Als Heilige Margareta sich im Kerker befand, erschien ihr ein fürchterlicher Drache, der sie zu verschlingen suchte, dien sie jedoch durch das Kreuzzeichen, das sie über ihn machgte, zu entweichen zwang.

Margareta vom Mühlhausener Altar im Bamberger Dom (aus Wikipedia)

Man erkennt, dass der Realitätsgehalt von Monstren nicht naiv im medienfreien Raum diskutiert werden kann, sondern immer auch abhängig ist vom größeren Kontext, in dem diese auftauchen. Es gibt eben verschiedene Arten von ›Realität‹

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Quellen

(chronologisch geordnet)

Aristoteles (384–322), Tierkunde. Übersetzt von Paul Gohlke, Paderborn: Schöningh 1949 (Aristoteles: Die Lehrschriften Bd. 8,1)

[Palaiphatos, 4. Jahrhundert v. u. Z.] Die Wahrheit über die griechischen Mythen: Palaiphatos’ Unglaubliche Geschichten. griechisch/deutsch, hg. Kai Brodersen, Reclam, Stuttgart 2002 (Reclams Universal-Bibliothek Band 18200).

Plinius der Ältere (ca. 23/24 – 79): C. Plinii Secundi Naturalis Historiae Libri XXXVII – C. Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde, hg. und übersetzt von Roderich König / Gerhard Winkler, München: Heimeran 1973ff. (zweisprachige Ausgabe in 37 Bänden).

Hildegard von Bingen (1098–1179), Heilkraft der Natur »Physica«. Das Buch von dem inneren Wesen der verschiedenen Naturen der Geschöpfe. Erste vollständige, wortgetreue und textkritische Übersetzung […] übers. von Marie-Louise Portmann, Augsburg: Pattloch 1997.

Albertus Magnus († 1280), De animalibus libri XXVI : nach der Cölner Urschrift hg. von Hermann Stadler, Münster: Aschendorff, 2 Bände 1916-1920 (Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters 15/16).

Konrad von Megenberg (1309–1374), Buch der Natur, hg. Franz Pfeiffer, 1861. – Neue Ausgabe: Konrad von Megenberg, Kritischer Text nach den Handschriften, hg. von Robert Luff und Georg Steer, Tübingen: Niemeyer 2003 (Texte und Textgeschichte 54).

[Walther Ryff, † 1548] Thierbuch Alberti Magni. Von Art Natur vnd Eygenschafft der Thierer, Als nemlich Von Vierfüsigen, Vögeln, Fyschen, Schlangen oder kriechenden Thieren, Vnd vonden kleinen gewürmen die man Jnsecta nennet; Mit jhren Contrafactur Figuren. Hierinn findestu auch viel Artznei krancker Roß vnd anders haußuieheß Auch wider die schedliche gifft der Schlangen vnd anderer gewürme. Durch Waltherum Ryff verteutscht [Frankfurt am Main: Jacob 1545].

Conrad Gessner (1516–1565): Conradi Gesneri medici Tigurini historiae animalium lib. I. de quadrupedibus viviparis, Zürich 1551.

[Gessner] Thierbuoch Das ist ein kurtze bschreybung aller vierfüssigen Thieren/ so auff der Erden und in wassern wonend, sampt jrer waren Conterfactur: alles zuo nutz vnd guotem allen liebhabern der künsten/ Artzeten/ Maleren/ Bildschnitzern/ Weydleüten vnd Köchen gestelt. Erstlich durch den hochgeleerten D. Cuonrat Geßner in Latin beschriben/ yetzunder aber durch D. Cuonrat Forer zuo mererem nutz aller mengklichem in das Teütsch gebracht/ vnd in ein kurtze komliche ordnung gezogen. Getruckt zuo Zürych bey Christoffel Froschower im Jar als man zalt M.D.LXIII.

[Gessner] Vogelbuoch Darinn die art/ natur vnd eigenschafft aller vœglen/ sampt jrer waren Contrafactur/ angezeigt wirt: allen Liebhaberen der künsten ... Weydleüten vnd Kœchen ... dienstlich zebrauchen. Erstlich durch Doctor Conradt Geßner in Latin beschriben: neüwlich aber durch Ruodolff Heüßlin mit fleyß in das Teütsch gebracht/ vnd in ein kurtze ordnung gestelt. Zürich: Christoph Froschauer d.Ä. 1557.

[Gessner] Conradi Gesneri medici Tigurini Historiae animalium liber IIII. qui est de piscium & aquatilium animantium natura […] Tiguri, apud Christoph. Forschoverum, anno 1558.

[Gessner, postum] Schlangenbuoch Das ist ein grundtliche und vollkommne Beschreybung aller Schlangen, so im Meer, süssen Wassern und auff Erden jr Wohnung haben, sampt der selbigen Conterfactung / erstlich durch den hochgelehrten weytberümpten Herrn D. Conrat Gessnern zuosamen getragen unnd beschriben unnd hernaher durch den wolgelehrten Herrn Jacobum Carronum gemehrt und in dise Ordnung gebracht/ an yetzo aber mit sondrem Fleyss verteütscht. Getruckt zuo Zürych in der Froschow 1589.

Conrad Lycosthenes (1518–1561), Wunderwerck oder Gottes unergründtliches vorbilden, das er inn seinen gschöpffen allen, so Geystlichen, so leyblichen ... von anbegin der weldt, biß zu unserer diser zeit, erscheynen ... lassen: Alles mit schönen Abbildungen gezierdt ..., durch Johann Herold ... Verteütscht, Basel: Petri 1557 – Reprint Hildesheim: Olms 2007.

[Plinius] Caij Plinij Secundi / Des furtrefflichen Hochgelehrten Alten Philosophi / Bücher und schrifften / von der Natur / art vnd eigenschafft der Creaturen oder Geschöpffe Gottes / Als nemlich: Von den menschen / jrer Geburt / Aufferziehung / Gestalt / Wandel / Gebreuchen / Künsten / Handtierung / Leben / Kranckheit / Sterben / Begrebniß. Von den vierfüssigen Thieren […] Von den Fischen […] Von den vögeln […] Vnd von den Schlangen / kreichenden Würmern / mit sampt andern mindern Thierlin / den Eimeissen / Bienen vnd jres gleichen. […] auß dem Latein verteutscht durch M. Johannem Heyden / Eifflender von Dhaun […] Mit einem zusatz auß H. Göttlicher Schrifft, vnd den alten Lehrern der Christlichen Kirchen, so viel sie von der Thier, Fisch, Vögel vnd Würm Natur melden oder Exempels vnd gleichniß weise einführen. Sampt vil schönen kurtzweiligen Historien, auß allerley andern Scribenten, damit die Beschreibung der Natur aller vermeldten Geschöpff Gottes bezeuget, vnd als gewiß erfahren für Augen gestellt wirt […] Frankfurt: Sigmund Feyerabend 1565.

Wolfgang Franz (1564–1628), Historia Animalium Sacra In Qua Plerorumque Animalium Praecipuae Proprietates […] breviter accommodantur […] a Wolfgango Franzio, Wittenberg: Schurer und Gormann 1612.

Ulisse Aldrovandi (1522–1605): Vlyssis Aldrovandi Patricii Bononiniensis Monstrorvm Historia. Cvm Paralipomensis Historiæ Omnivm Animalivm Bartholomaeus Ambrosinvs ..., et Horti publici Prefectus Labore, et Studio uolumen composuit. Marcus Antonius Bernia in lucem ed. propriis sumptibus. ... Cum ind. copiosissimo.. - Bononiae : Bernia ; Tebaldinus, 1642 — Ulisse Aldrovandi, Monstrorum Historia, Préface de Jean Céard, Les Belles Lettres / Nino Aragno Editore, Paris/Turin 2002.

Sir Thomas Browne (1605–1682), Pseudodoxia Epidemica or Enquries into very many received tenets and commonly presumed truths, London, T.H. for Edward Dod, 1646 – Kommentierte Ausgabe (der 1672er-Edition): ed. Robin Robbins, Oxford: Clarendon Press 1981; http://penelope.uchicago.edu/pseudodoxia/pseudodoxia.shtml – deutsche Übersetzung von Chr. Knorr von Rosenroth (1636–1689): Des vortrefflichen Engelländers Thomae Brown ... Pseudodoxia Epidemica. Das ist Untersuchung derer Irrthümer, so bey dem gemeinen Mann und sonst hin und wieder im Schwange gehen, Franckfurt/Leipzig: Christoff Riegel 1680.

Johann Jacob Scheuchzer (1672–1733): Kupfer-Bibel, in welcher die physica sacra, oder geheiligte Natur-Wissenschafft derer in Heil. Schrifft vorkommenden natürlichen Sachen, deutlich erklärt und bewährt von Joh. Jacob Scheuchzer ... : anbey zur Erläuterung und Zierde des Wercks in künstlichen Kupfer-Tafeln ausgegeben und verlegt durch Johann Andreas Pfeffel; Ulm: Wagner 1731–1735.

[Johann Georg Sulzer (1720–1779)] Johann Jacob Scheuchzers, Weyland Profess. der Natur-Lehre und Mathematic / Canoci in Zürich […] , Natur-Geschichte des Schweitzerlandes, Samt seinen Reisen über die Schweitzerische Gebürge. Aufs neue herausgegeben, und mit einigen Anmerkungen versehen von. Joh. Georg Sulzern, Zürich: David Gessner 1746.

Eberhard Werner Happel (1647–1690): E. G. Happelii Gröste Denkwürdigkeiten der Welt Oder so genannte Relationes Curiosæ. Worinnen dargestellet/ und Nach dem Probier-Stein der Vernunfft examiniret werden/ die vornehmsten Physicalis. Mathematis. Historische und andere Merckwürdige Seltzamkeiten/ Welche an unserm sichtbahren Himmel/ in und unter der Erden/ und im Meer jemahlen zu finden oder zu sehen gewesen/ und sich begeben haben. Der Erste Theil. Einem jeden curieusen Liebhaber zu gut auffgesetzet/ in Duck verfertiget/ und mit vielen Figuren und Abrissen erläutert, Hamburg: von Wiering 1683.

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Auswahl einschlägiger Forschungsliteratur

(alphabetisch)

Henryk Anzulewicz, Albertus Magnus und die Tiere, in: Sabine Obermaier (Hg.), Tiere und Fabelwesen im Mittelalter, Berlin: de Gruyter 2009, S. 29–54.

Harry Burrell, The Platypus. Its discovery, zoological position, form and characteristics, habits, life history etc., Sydney: Angus & Robertson 1927.

Jean Céard, La nature et les prodiges : l'insolite au XVIe siècle, en France. Genève Droz 1977 (Travaux d'humanisme et Renaissance ; 158), éd. rev. et augm. Genève : Droz 1996.

Ingrid Faust, unter Mitarbeit von Klaus Barthelmess u.a., Zoologische Einblattdrucke und Flugschriften vor 1800, Stuttgart: Hiersemann 1998–2010.

Udo Friedrich, Naturgeschichte zwischen artes liberales und frühneuzeitlicher Wissenschaft. Conrad Gessners »Historia animalium« und ihre volkssprachliche Rezeption, Tübingen: Niemeyer 1995 (Frühe Neuzeit 21).

Caroline Aleid Gmelig-Nijboer, Conrad Gessner’s »Historia animalium«. An inventory of Renaissance Zoology, (Proefschrift Rijks-Universiteit te Utrecht), Meppel 1977.

Wolfgang Harms, Bedeutung als Teil der Sache in zoologischen Standardwerken der frühen Neuzeit (Konrad Gesner, Ulisse Aldrovandi), in: Lebenslehren und Weltentwürfe im Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit, hg. H. Boockmann, B. Moeller, K. Stackmann (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Phil.-hist. Klasse, 3. Folge, Nr. 179), Göttingen 1989.

Ilse Jahn (Hg.), Geschichte der Biologie. Theorien, Methoden, Institutionen, Kurzbiographien, 1.Aufl. Jena 1982; 3. neu bearb. Aufl. 1998; Heidelberg: Spektrum 2000.

Claude-Claire Kappler, Monstres, démons et merveilles à la fin du moyen âge, Paris: Payot 1980; revidierte Neuauflage 1999.

Fabian Krämer, Ein Zentaur in London. Lektüre und Beobachtung in der frühneuzeitlichen Naturforschung, Affalterbach: Didymos-Verlag 2014.

Sachiko Kusukawa, The sources of Gessner’s pictures for the »Historia Animalium», in: Annals of Science 67.3 (2010), p. 303–328.

Claude Lecouteux, Les Monstres dans la Littérature Allemande du Moyen Age (1150—1350). Une contribution à l’étude du merveilleux médiéval, 3 Bände, Göppingen: Kümmerle 1982 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 330).

Urs B. Leu, Konrad Gessner und die Neue Welt. In: Gesnerus, 49 (1992), S. 279–309.

Urs B. Leu, Conrad Gessner (1516–1565). Universalgelehrter und Naturforscher der Renaissance, Zürich: Verlag Neue Zürcher Zeitung 2016.

Paul Michel, Was zur Beglaubigung dieser Historie dienen mag. Drachen bei Johann Jacob Scheuchzer, in: Fanfan Chen / Thomas Honegger (Eds.), Good Dragons are Rare. An Inquiry into Literary Dragons East and West. Frankfurt am Main u.a.: P. Lang 2009 (ALPH: Arbeiten zur Literarischen Phantastik), S. 119–170.

Spinnenfuß und Krötenbauch. Genese und Symbolik von Kompositwesen, hg. von Paul Michel, Zürich: Pano Verlag 2013 (Schriften zur Symbolforschung; Band 16).

Christa Riedl-Dorn, Wissenschaft und Fabelwesen. Ein kritischer Versuch über Conrad Gessner und Ulisse Aldrovandi, Wien/Köln: Böhlau 1989 (Perspektiven der Wissenschaftsgeschichte Bd. 6).

Bernd Roling, Drachen und Sirenen. Die Rationalisierung und Abwicklung der Mythologie an den europäischen Universitäten, Leiden: Brill 2010 (Mittellateinische Studien und Texte 42).

Flemming Schock, Die Text-Kunstkammer. Populäre Wissenssammlungen des Barock am Beispiel der »Relationes Curiosae« von E. W. Happel, Böhlau-Verlag 2011.

Georg Wöhrle (Hg.), Geschichte der Mathematik und der Naturwissenschaften in der Antike; Band 1: Biologie; Stuttgart: Franz Steiner 1999.

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Hinweis auf eine Website zum Thema

Monstra in der Naturkunde (dort speziell der Abschnitt zu den Fliegenden Fsichen)

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