|
|
|
|
Paratexte von Enzyklopädien
Der Begriff »Paratext« ist von Gérard Genette in die
Literaturwissenschaft eingeführt worden. Ein Paratext bildet einen
Kommentar zum eigentlichen Text, indem er ihm Informationen hinzufügt,
die die Lektüre steuern und kommentieren. Genette hat einen breiten
Fächer von Elementen mit dieser Funktion ausgebreitet.
Wir unterscheiden grundsätzlich (mit Jörg Jochen Berns): Paratexte, welche
die Präsentation, die Inszenierung der Enzyklopädie bewerkstelligen (in
Frontispizien, Vorreden), und solche Paratexte, die der Erschließung
der Enzyklopädie dienen – sei es dass sie das Material gliedern
(taxonomische Ordnungsangaben), sei es dass sie einen raschen Zugriff
auf das Material gewähren (Marginalien, Inhaltsverzeichnisse, Register).
Die Übersetzungen der lateinischen Texte sind im
Team von Ruth Affolter, Barbara Braune-Krickau, Regula Forster, Jörg
Kurth, Darko Senekovic und Paul Michel entstanden.
letztes Update März 2011 PM
nach oben
|
|
|
|
|
|
Bilder auf einer Metaebene
Viele Enzyklopädien enthalten Titelbilder,
in denen Ausagen über das Werk gemacht werden.
Zu diesem Thema gibt es eine eigende Seite auf dieser Homepage.
nach oben |
|
|
|
|
|
Hrabanus Maurus,
»De Rerum naturis« (später: De Universo): Praefatio ad Ludovicum
Ausgabe: Migne, PL; im WWW: W. Schipper (http://www.mun.ca/rabanus/)
Sunt enim in eo plura exposita de rerum naturis, et uerborum proprietatibus,
necnon etiam de mystica rerum significatione quod idcirco ita ordinandum
estimaui, ut lector prudens continuatim positam inueniret historicam
et mysticam singularem rerum explanationem. Et sic satis facere
quodammodo posset suo desiderio in quo et hystoriae et allegoriae
inueniret manifestationem. |
Vieles ist darin [sc. in der vorliegenden Schrift] ausgelegt über
das Wesen der Dinge und die Eigenschaften der Wörter und auch
über die allegorische Bedeutung der Dinge.
Dies glaubte ich so anordnen zu müssen, damit der erfahrene
Leser die historische und die allegorische Bedeutung der einzelnen
Dinge fortlaufend aufgeführt finde und so gewissermassen seinen
Wunsch nach Offenlegung der Historie und der Allegorie befriedigen
könne. |
Unde mihi non melius aliud uidebatur huius operis sumere initium
quam ab ipso conditore nostro qui omnium rerum est caput et principium,
quia quicquic naturaliter subsistit, aut auctor et creator omnium
est aut ab eo condita creatura. Quia ex ipso et per ipsum et in
ipso sunt omnia qui fecit caelum et terram mare et omnia quae in
eis sunt. |
Deshalb schien mir keine andere Weise besser, dieses Werk zu beginnen,
als mit unserem Schöpfer selbst, der das Haupt und der Anfang
aller Dinge ist: denn was immer natürlicherweise besteht, ist
entweder der Urheber und Schöpfer von allem oder ein von ihm
geschaffenes Geschöpf. Denn aus ihm und durch ihn und in
ihm ist alles (Röm. 11, 36). Der, der Himmel und Erde
und das Meer und alles, was darin ist, geschaffen hat (vgl.:
Ps. 120/121, 2). |
Sic ergo primum deipso summo bono et uero conditore nostro hoc
est patre et filio et spiritu sancto. Uno et solo omnipotente deo
iuxta paruitatem ingenii mei, quantum diuina gratia me posse concessit
scribendo aliqua disserui. |
So habe ich also - entsprechend meiner geringen Begabung und insoweit
mir die göttliche Gnade das Vermögen zugestanden hat -
zuerst einiges über das höchste Gute selbst, unseren wahren
Schöpfer, schreibend erörtert, das heisst, über den
Vater und den Sohn und den Heiligen Geist, den einen und einzigen
allmächtigen Gott. |
Postea uero de caelestibus et terrestribus creaturis, non solum
de natura sed etiam de ui, et effectibus earum sermonem habere institui,
ut lector diligens in hoc opere et nature proprietatem iuxta historiam
et spiritalem significationem iuxta mysticum sensum simul posita
inueniret. |
Danach aber habe ich es unternommen, über die himmlischen
und die irdischen Geschöpfe zu reden, nicht nur über ihre
Beschaffenheit, sondern auch über ihre Kraft und ihre Wirkungen:
damit der aufmerksame Leser in diesem Werk gleichzeitig die natürliche
Eigenschaft gemäss der Historie und auch die geistige Bedeutung
gemäss dem allegorischen Sinn vorfinde. |
Et quia de sanctis hominibus qui in uetere et nouo testamento
commemorantur eorumque actionibus mysticis, necnon et de locis in
quibus habitabant silere me non conuenit nomina ipsorum simul et
locorum ex hebraica lingua in latinam transferre placuit. |
Und weil es nicht anging, zu schweigen über die Heiligen,
die im Alten und im Neuen Testament vergegenwärtigt werden,
und über ihre bedeutungsträchtigen [hier für misticis;
ev. auch: über den allegorischen Sinn ihrer Handlungen] Handlungen,
noch über die Orte, an denen sie sich aufhielten, habe ich
beschlossen, die Namen der Heiligen und dieser Orte aus der hebräischen
Sprache in die lateinische zu übersetzen, um dadurch die allegorische
Bedeutung einfacher darlegen zu können. |
Ut inde facilius mysticam significationem explanare possem, addidi
quoque in presenti opusculo non pauca de fide catholica et religione
Christiana et e contrario de gentilium superstitione et hereticorum
errore, de philosophis et magis, atque falsis diis, de linguis gentium,
de regum et militum ciuiumque uocabulis atque affinitatibus de homine
et partibus eius, et reliquis animantibus de lapidibus lignis et
herbis quae in terram gingnuntur, de uariis artibus atque artificiis
et aliis multis quae omnia in prohemio enumerari longum est, |
Ich habe auch im vorliegenden kleinen Werk nicht Weniges über
den christlichen Glauben und die christliche Religion angefügt,
und - als Gegenstück - über den Aberglauben der Heiden
und den Irrtum der Häretiker, über Philosophen, Magier
und über falsche Götter; über die Sprachen der Völker,
über die Reiche, über die Bezeichnungen und ihre Beziehungen
untereinander sowohl bei den Soldaten wie bei den Bürgern ;
über den Menschen und seine Körperteile und über
die übrigen Lebewesen; über die Steine, die Bäume
und die Kräuter, welche auf der Erde hervorgebracht werden;
über die verschiedenen Wissenschaften und auch die Kunstfertigkeiten
und über vieles anderes, welches alles in einer Einleitung
aufzuzählen zu langwierig wäre. |
proinde quod de his hic posui nunc sufficiat, ceterum autem in
capitulis singularum librorum diligentius ea enumerare curaui. Decreui
hoc totum opus ut supradixi in uiginti duos libros dispertiri, sub
quo numero uetus testamentum legis diuine interpres beatus Hieronimus
complexum se asseruit ex cuius interpretatione et expositione quaedam
obscura in hoc opere lucidaui. |
Deswegen soll jetzt genügen, was ich darüber gesagt
habe; im Übrigen war ich dafür besorgt, dass es in den
Überschriften der einzelnen Bücher sorgfältiger angeführt
werden. Ich habe nämlich beschlossen, dieses ganze Werk (wie
oben gesagt) in zweiundzwanzig Bücher aufzuteilen. Unter dieser
Zahl sei das Alte Testament zusammengefasst, behauptet der Übersetzer
des göttlichen Gesetzes, der heilige Hieronymus. Aufgrund seiner
Übersetzung und Auslegung habe ich gewisse dunkle Stellen in
diesem Werk erhellt. |
nach oben
|
|
|
|
|
|
Lambert von St. Omer
(† 1125), »Liber Floridus«, Prolog
(hg. und kommentiert von Albert Derolez,
Gent 1968).
Ad laudem et gloriam Domini nostri ac Redemptoris omnium pertinet
eius magnalia operaque mirabilia diligenter perscrutari nos uelle
et perscrutando ea fidelium auribus commendare, ut eo amplius creatura
in Creatoris sui amorem exardescat, quo eum mirabiliora et magis
inaudita ineffabiliter condidisse recognouerit. |
Es dient zum Lob und Preis unseres HErrn und Erlösers Aller,
seine großen Wunder und Werke sorgfältig erforschen zu
wollen und sie im Erforschen den Ohren der Gläubigen zu empfehlen,
damit das Geschöpf umso mehr in Liebe zu seinem Schöpfer
entbrenne, je mehr es erkennt, dass Er noch Wunderbareres und Unerhörteres
auf unaussprechliche Weise geschaffen hat. |
nach oben
|
|
|
|
|
|
Hugo von Sankt Viktor (†
1141), »Didascalicon de studio legendi« (um 1127)
Kritische Ausgabe hg. C.H. Buttimer, Washington 1939; Abdruck von Buttimers
Text / dt. Übers. von Thilo Offergeld, Freiburg/Br.: Herder 1997
(Fontes Christiani 27). – Hier handelt es sich weniger um eine Enzyklopädie
denn um ein enzyklopädisches Bildungsprogramm.
Ex quo colligi potest […] quod videlicet omnium humanarum
actionum ad hunc finem concurrit intentio, ut vel divinæ imaginis
similitudo in nobis restauretur, vel huius vitae necessitudini consulatur
[…]. Duo vero sunt quæ divinam in homine similitudinem
reparant, id est speculatio veritatis et virtutis exercitum. Quia
in hoc homo similis Deo est, quod sapiens et justus est; sed iste
mutabiliter, ille immutabiliter et sapiens et justus est. (I, 7/8) |
Hieraus kann gefolgert werden, dass der Endzweck aller menschlichen
Handlungen darauf hinzielt, entweder die Ähnlichkeit mit dem
göttlichen Bild in uns wieder herzustellen, oder sich um die
Notwendigkeit dieses Lebens zu kümmern. […]. Zwei Dinge
sind es, welche im Menschen die Gottähnlichkeit wiederherstellen,
das Forschen nach Wahrheit und die Ausübung der Tugend. Denn
der Mensch ist Gott darin ähnlich, dass er weise und gerecht
ist. Der Mensch freilich ist auf veränderliche Art weise und
gerecht, Gott auf unveränderliche. |
Hoc ergo omnes artes agunt, hoc intendunt, ut divina similitudo
in nobis reparetur […] cui quanto magis conformamur, tanto
magis sapimus. Tunc enim in nobis incipit relucere, quod in ejus
ratione semper fuit; quod quia in nobis transit, apud illum incommutabile
consistit. (II, 1) |
Damit beschäftigen sich alle Künste / Wissenschaften,
dies erstreben sie, dass sie die Ebenbildlichkeit Gottes in uns
wieder herstellen […]. Je ähnlicher wir derselben werden,
um so weiser sind wir. Dann nämlich beginnt das wieder zu in
uns erstrahlen, was in seinem Geist immer existiert hat; denn was
bei uns eine vorübergehende Erscheinung ist, besteht bei Gott
unveränderlich fort. |
nach oben
|
|
|
|
|
|
Bartholomaeus Anglicus,
O.F.M. (1220/40), »De proprietatibus rerum«
Aus der Præfatio (Ausgabe: Reprint eines Druckes von 1601: Frankfurt
1964)
{… praesens opusculum compilatum…} utile mihi et
forsitan aliis, qui naturas rerum et proprietates per sanctorum
libros nec non et Philosophorum dispersas non cognoverunt, ad intelligenda
aenigmata scripturarum, quae sub symbolis et figuris proprietatum
rerum naturalium et artificialium a Spiritu sancto sunt traditae
et velatae, quemadmodum ostendit beatus Dionysius in Hierarchia
Angelica, circa principium dicens: |
Dieses zusammengetragene Werklein gereicht mir und vielleicht
anderen – die Wesen und Eigenschaften der Dinge, die in den
Büchern der Heiligen wie der Weltweisen ausgebreitet sind,
nicht kennen – zum Nutzen, die Geheimnisse der Schrift zu
verstehen, welche vom Heiligen Geist unter Symbolen und Figuren
der Eigenschaften natürlicher wie künstlicher Dinge vermittelt
und [zugleich] verhüllt werden, wie es der selige Dionysius
in der Hierarchie der Engel aufzeigt, wo er etwa am Anfang [der
Abhandlung] sagt: |
»Non est aliter nobis possibile lucere divinum radium nisi
varietate sacrorum velaminum anagogice circumvelatum. Quoniam impossibile
est animo nostro ad immaterialem coelestium hierarchiarum ascendere
contemplationem, nisi ea, quae secundum ipsum est, materiali manductione
utatur &c.«, quasi diceret: |
»Es ist nicht anders möglich, dass der göttliche
Strahl für uns leuchte, als [wenn er] durch die Fülle
heiliger Schleier auf emporführende Weise verhüllt [ist].
Denn es ist unserem Geist unmöglich, zur immateriellen Schau
der himmlischen Hierarchien emporzusteigen, wenn er nicht jene materielle
Hinführung* gebraucht, welche ihm gemäß ist.«,
wie wenn er sagen würde: |
Non potest animus noster ad invisibilium contemplationem ascendere,
nisi per visibilium considerationem dirigatur; »invisibilia
enim« Dei »per ea quae facta sunt intellecta conspicimur«,
ut dicit Apostolus (Rom 1,20 conspiciuntur). Et ideo Theologia
provide sacris et poeticis informationibus usa est, ut et rerum
visibilium similitudinibus allegoricae locutiones et mystici intellectus
transumptionibus formentur, et sic carnalibus et visibilibus spiritualia
et invisibilia coaptentur. […]
| Unser Geist kann nicht zur Schau des Unsichtbaren emporsteigen,
wenn er nicht durch die Betrachtung des Sichtbaren geleitet wird;
denn das Unsichtbare an Gott erkennen und ersehen wir an den erschaffenen
Dingen, wie Paulus sagt. Daher hat das göttliche Wort fürsorglich
die erhabenen und poetischen Vorstellungen benutzt, damit sowohl
mit Gleichnissen sichtbarer Dinge die allegorischen Reden als auch
mit Metaphern die mystischen Einsichten gebildet werden –
und so wird das Irdische und Sichtbare an das Geistige und Unsichtbare
gefügt / so wird das Geistige und Unsichtbare mittels des Irdischen
und Sichtbaren [für uns] passend zugerichtet. |
*) Es handelt sich um ein aus zwei benachbarten Stellen zusammengezogenes
Zitat aus Dionysius Areopagita, »Hierarchia Celestis« I,2
= PG 3,121CD. Lateinische Übersetzungen von Johannes Scotus PL 122,138B
und Hugo von St.Viktor PL 175, 946/48.
nach oben
|
|
|
|
|
|
Vinzenz von Beauvais O.P.
(† 1264), »Speculum majus«, Libellus totius operis apologeticus
Préface au Speculum Maius, éd. par Serge Lusignan, Paris/Montréal
1979 – A.-D. v. d. Brincken, in: Dt. Archiv f. d. Erforschung des
MAs 34 (1978), 465–499.
Cap. 3 [in der zweiten Fassung: Cap. 4]:
Certus sum enim et confido in Domino, hoc ipsum opus non solum
mihi sed et omni studiose et affectuose legenti non parum utilitatis
afferre, non solum ad Deum per se et per creaturas uisibiles et
inui-sibiles cognoscendum ac per hoc diligendum, et cor suum in
deuotione caritatis multorum sanctorum ignitis sententiis et exemplis
excitandum et attendendum, uerum etiam ad predicandum, ad legen-dum
et ad disputandum, ad soluendum, necnon et generaliter ad unumquodque
fere materie genus artis cuiuslibet explicandum. |
Ich bin sicher und vertraue auf den Herrn, dass dieses Werk [das
»Speculum majus«] nicht nur mir, sondern jedem eifigen
und strebenden Leser nicht wenig Nutzen bringt, nicht allein um
Gott sowohl durch ihn selbst als auch ver-mittels der sichtbaren
und unsichtbaren Kreaturen zu erkennen und dadurch zu lieben, und
um sein Herz durch die glühenden Sinnsprüche und Exempel
vieler Heiliger zu wecken und zu erheben, sondern auch um zu predigen,
zu lesen und zu disputieren, Probleme zu lösen wie auch überhaupt
fast jeden beliebigen Gegenstand irgendeiner Wissenschaft zu erklären. |
Kap. 7: Verteidigungsrede betreffend die Aussagen von Philosophen und
Dichtern
Es soll aber keiner meinen, ich sei zu tadeln, weil ich vieles
aus den Büchern der heidnischen Philosophen und Dichter, einiges
auch aus gewissen Apokryphen in diesem Werk [ab]geschrieben habe,
sonst könnte er auch die Apostel tadeln, welche in ihren Briefen
von beiden Sorten [sc. von heidnischen und apokryphen Schriften]
einiges als Zeugnisse geltend machten.
Denn Paulus schreibt zum Beispiel im Brief an die Korinther den
sechsfüssigen Vers des Komödiendichters Menandros: Böse
Reden verderben gute Sitten (I Cor 15, 33).
Ebenso führt er, als er an Titus schreibt, den kurzen Vers
des Dichters Epimenides ein: Kreter sind immer Lügner,
böse Tiere, faule Bäuche (Tit 1, 12).
In gleicher Weise auch, als er bei den Athenern auf dem Areopag
diskutiert und ein Zeugnis des Dichters Aratos verwendet, der sagt:
Denn wir sind von seinem Geschlecht (Act 17, 28). |
Nun fügt Vinzenz eine Stelle aus einem Brief des Hieronymus an,
wo dieser sich ebenfalls für das Zitieren von weltlicher Literatur
rechtfertigt und in gleicher Weise argumentiert:
Du fragst, sagt er [sc. Hieronymus], warum wir in unseren Werken
zuweilen Beispiele aus der weltlichen Literatur anführen und
so die Reinheit der Kirche mit dem Schmutz der Heiden besudeln.
Du sollst eine kurze Antwort erhalten. Niemals würdest du dies
fragen, wenn du nicht vollständig von Cicero beherrscht wärest,
sondern die Heiligen Schriften läsest, um ihre Übersetzer
- ausgenommen Volcatius - zu studieren. Denn auch in den Büchern
Mose und der Propheten und in den Paulusbriefen werden gewisse Stellen
aus den Büchern der Heiden herangezogen. [Hier lässt Vinzenz
(ev. schon seine Vorlage) einen längeren Abschnitt des Hieronymus-Briefes
aus.] Im Deuteronomium wird durch das Wort des Herrn das Gebot ausgesprochen,
dass man das Haupthaar einer Gefangenen abrasieren und die Augenbrauen
und alle Körperhaare und die Nägel abschneiden müsse
und man sie dann zur Ehefrau nehmen könne. Was Wunder also,
wenn ich danach trachte, die weltliche Weisheit wegen der Anmut
ihres Ausdrucks und der Schönheit ihrer Glieder aus einer Magd
und Gefangenen in eine Israelitin zu verwandeln? Und wenn ich ihre
todbringenden Begierden nach Götzendienst, Sinnlichkeit und
Irrtum zurückschneide oder rasiere und dann in Vereinigung
mit dem vollkommen reinen Körper dem Herrn Sabaoth unbefleckte
Söhne aus ihr zeuge? |
Auch ich weiss wohl, dass die Philosophen viel unter sich Widersprüchliches
gesagt haben, vor allem über die Natur der Dinge, zum Beispiel
haben gewisse geschrieben, die Luft sei von warmer Natur, wie Aristoteles
und Avicenna, gewisse aber, sie sei von kalter Natur, wie Seneca;
auch vom Gift der Schlangen sagen gewisse, es sei kalt, wie Isidor,
gewisse aber sagen, es sei warm, wie Avicenna.
Aber weil bei solchen und anderen Dingen dieser Art beiden Seiten,
auch wenn sie sich widersprechen, ohne Gefährdung unseres Glaubens
Vertrauen geschenkt oder misstraut werden kann, ermahne ich den
Leser, dass er nicht etwa zurückschaudert, wenn er Widersprüche
solcher Art unter den Namen verschiedener Autoren an sehr vielen
Stellen dieses Werks eingefügt findet, vor allem, weil ich
schon bekannt habe, dass ich in diesem Werk nicht die Rolle des
Erörterers, sondern die des Exzerptors bekleide und dass ich
deshalb nicht viel Mühe darauf verwendet habe, die Aussagen
der Philosophen zur Übereinstimmung zu bringen, sondern nur
das vorzutragen, was jeder von ihnen über eine bestimmte Sache
gedacht oder geschrieben hat, wobei ich es dem Urteil des Lesers
überlasse, wessen Meinung er sich eher anschliessen solle. |
Aber weil bei solchen und anderen Dingen dieser Art beiden Seiten,
auch wenn sie sich widersprechen, ohne Gefährdung unseres Glaubens
Vertrauen geschenkt oder misstraut werden kann, ermahne ich den
Leser, dass er nicht etwa zurückschaudert, wenn er Widersprüche
solcher Art unter den Namen verschiedener Autoren an sehr vielen
Stellen dieses Werks eingefügt findet, vor allem, weil ich
schon bekannt habe, dass ich in diesem Werk nicht die Rolle des
Erörterers, sondern die des Exzerptors bekleide und dass ich
deshalb nicht viel Mühe darauf verwendet habe, die Aussagen
der Philosophen zur Übereinstimmung zu bringen, sondern nur
das vorzutragen, was jeder von ihnen über eine bestimmte Sache
gedacht oder geschrieben hat, wobei ich es dem Urteil des Lesers
überlasse, wessen Meinung er sich eher anschliessen solle. |
Es folgen Beispiele aus der Medizin, die solche contradictiones belegen.
nach oben
|
|
|
|
|
|
»Compendium philosophiæ«
(nach 1277), Prolog
(Ausgabe: Michel de Boüard [Ed.] Une nouvelle Encyclopédie
médiévale: Le Compendium Philosophiae, Paris 1936, S. 121).
Cum omne desiderii compos, et maxime creatura rationalis, appetat
suam perfectionem; summa vero et finalis perfectio hominis sit in
congnicione unius infallibilis veri, et in amore incommutabilis
boni, quod est nosse et amare Creatorem suum; et medium precipue
inducens ad congnoscendum et amandum Creatorem sit congnicio et
consideracio Creationis; unde illud [ad] Romanos Iº : Invisibilia
Dei a creatura mundi per ea que facta sunt intellecta conspiciuntur,
etc. …, et Sapientiae XIIIº: a magnitudine speciei …
etc. Sed hec, non tantum ad cognicionem, verum etiam conferunt ad
amorem Conditoris, juxta illud psalmum: Delectasti me in factura
tua, quasi diceret: delectationem mihi prestitisti in te ex consideracione
tue facture |
Da alles, was mit Begehrungsvermögen ausgestattet ist, und
am meisten das vernunftbegabte Geschöpf, seine Vervollkommnung
anstrebt; da die höchste und endgültige Vervollkommnung
des Menschen in der Erkenntnis des einen untrüglichen Wahren
und in der Liebe zum unwandelbaren Guten besteht – das heisst:
seinen Schöpfer erkennen und lieben – und da die Erforschung
und Betrachtung der Schöpfung das geeignetste Mittel ist, welches
dazu führt, den Schöpfer zu erkennen und zu lieben, daher
[steht] Röm 1,20: »Das Unsichtbare an Gott wird seit
Erschaffung der Welt an den erschaffenen Dingen erkennbar und sichtbar
« usw. und Sapientia 13,5: »von der Größe
{und Schönheit der Geschöpfe lässt sich auf den Schöpfer
schließen}« usw. Dies aber trägt nicht nur zur
Erkenntnis, sondern auch zur Liebe des Schöpfers bei, gemäß
dem Psalm 91,5 [Vg.]: »Du hast mich durch Deine Schöpfung
froh gemacht«, als würde gesagt: Freude über Dich
hast Du mir verliehen aus der Betrachtung Deiner Schöpfung. |
nach oben
|
|
|
|
|
|
Hübner, Reales Staats- und Zeitungslexicon (1704)
aus der Vorrede Herrn Johann Hübners, Rectoris des Hochfürstl. Sächsischen Gymnasii zu Merseburg. Geschrieben im Gymnasio zu Merseburg an der Leipziger Oster-Meße 1704.
I. Was die Lesung der Zeitungen vor einen vielfältigen Nutzen hat, das wird unnöthig zu erinnern seyn, nachdem solches allbereit vor 28. Jahren der vortrefliche Hr. Christian Weise, mein treugewesener Lehrmeister, in einer curieusen Schrifft weitläufftig ausgeführet hat. Anmerkung: Hübner war in Zittau Schüler von Christian Weise (1642–1708); 1678 erschien dessen »Politischer Redner«. |
II. Es haben sich auch nach diesem die Liebhaber solcher Nouvellen dergestalt vermehret, daß auch die Einwohner auff dem Lande hin und wieder nicht ungeschickt sind, einen Staats-Discours nach ihrer Art, mit einander zu führen. |
III. Nun trägt sichs gleichwohl gar offte zu, daß ein Gelehrter und gereister Mann, eine und die andre passage aus den Zeitungen nicht verstehet, und wenn das am grünen Holtze geschicht, was will am dürren werden? Ich will so viel sagen: Wenn die, so studiret, nicht allemahl wissen, was sie lesen, was vor Zweiffels-Knoten müssen denjenigen allererst vorkommen, die mit den Musen keine sonderliche Bekantschafft haben? |
IV. Ich will dem curieusen Leser dieser Vorrede dreyßig Wörter hersetzen, welche fast täglich in den Zeitungen vorkommen, und wenn er dieselben alle dreyßig so verstehet, daß er von einem iedweden eine deutliche Beschreibung geben kan, so will ich den vorhergehenden Paragraphum widerruffen. |
V. Was ist demnach 1. eine Terze. 2. ein Chiaus. 3. eine Faussebraye. 4. Reis Effendi. 5. Gala. 6. Ruota. 7. Caimacan. 8. Strelitzen. 9. Schout by Nacht. 10. Cochenille. 11. Glacis. 12. Exchequer. 13. Caravane. 14. Seraglio. 15. Rospolite Rusczenie. 16. Praeconisiren. 17. Pensionarius. 18. Indulto. 19. Gens d'armes. 20. Brigantine. 21. Pincke. 22. Maravedis. 23. Assecuration. 24. Arriere Ban. 25. Divan. 26. Committe. 27. Courtine. 28. Favoritta. 29. Talismans und 30. Tarif. |
VI. Ich habe aber diese Vocabula nicht denen zur Probe hingesetzt, die entweder consummate Politici sind, oder von den Zeitungen, so zu sagen, Profession machen: Denn die in allen Politischen Wissenschafften versiret sind, die werden mein Rätzel leicht errathen, ... |
nach oben
|
|
|
|
|
|
Hübner, Curieuses und Reales Natur- … Handlungs-Lexicon (Vorrede von 1712)
Hier im Faksimile:
Hübner [pop-up]
nach oben
|
|
|
|
|
|
Johann Georg Walch, »Philosophisches Lexicon« (1726)
Aus der Vorrede zur ersten Auflage; wieder abgedruckt in der Auflage 1744, Blatt )()(3:
... ich habe die Glieder und Theile des menschlichen Cörpers aus den anatomischen Büchern kürtzlich beschrieben, welches auch von einigen in ihren Physicen geschehen; absonderlich aber dahin gesehen, daß ich die Absicht des Schöpffers angemerckt, damit man darauß dessen Macht, Weisheit und Gütigkeit erkennen möge, wohin ohne diß der Haupt-Zweck der gantzen Natur-Lehre gehet. Sie leget zwar den Grund zur Medicin und träget also ein grosses zur Erhaltung und Erlangung der menschlichen Gesundhet bey; ihre gröste Vortrefflichkeit aber leuchtet darinnen herfür, daß sie uns von den Geschöpffen, die sie uns zu betrachten vorleget, zu dem Schöpffer und dessen Allmacht, Weisheit und Gütigkeit führet, damit aber den Grund zu der natürlichen Theologie, ja zu der gantzen Moral leget. |
Die Enzyklopädie also im Dienst der Physikotheologie [pdf].
nach oben
|
|
|
|
|
|
Steiner, Hundert Artickul (Vorrede 1744)
Hier im Fakismile: Steiner [pop-up]
nach oben
|
|
|
|
|
|
Denis Diderot, Artikel Encyclopédie in: »Encyclopédie«, Band 5 (1755)
Der Text bei Wikisource [www]
nach oben
|
|
|
|
|
|
Aus der Vorrede zum ersten »Brockhaus« (1809)
Conversations-Lexikon oder kurzgefaßtes Handwörterbuch für die in der gesellschaftlichen Unterhaltung aus den Wissenschaften und Künsten vorkommenden Gegenstände mit beständiger Rücksicht auf die Ereignisse der älteren und neueren Zeit, Bd. 1. Amsterdam: Kunst- und Industrie-Comptoir 1809. hier der ganze Text [www] bei zeno.org
Vor dreißig, vierzig Jahren, als im Allgemeinen größten Theils nur eine gewisse Gattung von Kenntnissen, nehmlich die politischen, Gegenstand der Conversation war, mochte Hübners Zeitungs- und Conversations-Lexikon mehr als hinreichend sein, das erwähnte Bedürfniß zu befriedigen; allein zu einer Zeit, in welcher eine Menge Gegenstände aus den verschiedensten Wissenschaften in das gesellschaftliche Gespräch eingedrungen sind, hat sich der Begriff der Conversation mit dem Gebiete derselben gar sehr erweitert. Zu einer Zeit, in welcher ein allgemeineres Streben nach Geistesbildung, wenigstens nach dem Schein derselben (zu gleicher die Ursache und die Folge der immer mehr sich verbreitenden Annäherung der Geschlechter und Stände in ihren Begriffen an einander), das Weib wie den Mann, den Nichtgelehrten wie den Gelehrten in einen gemeinschaftlichen Conversations-Kreis führt, in welchem man gewisse gemeinschaftliche Begriffe und Kenntnisse bei einem jeden schon aus Höflichkeit voraussetzt, deren Mangel zwar nicht selten Staat findet, aber doch ohne Scham nie verrathen wird, zu einer solchen Zeit muß ohne Zweifel ein dem gegenwärtigen Umfange der Conversation angemessenes Wörterbuch für dieselbe mehr als jemahls nothwendig und nützlich sein. |
nach oben
|
|
|
|
|
|
Joseph Meyer (1796 – 1856), aus dem Vorwort im 1. Band des »Großen Conversations-Lexicon« (›nullte‹ Auflage 1840; datiert: Hildburghausen 1839)
Der Aristokratie des Wissens freilich ist eine populäre Encyklopädie ein Dorn im Auge, und sie wird auch unserm Beginnen nicht hold seyn. ›Intellectuelle Gleichheit‹ liest sie auf unserm Panier, und in jedem Kämpfer für jene gewahrt sie einen Feind, der an ihrem Throne rüttelt, und ihr das Benefiz des Privilegiums zu entziehen trachtet. – So wollen auch Diejenigen unsere Bestrebungen nicht, welche in der unermeßlichen Entwicklung der Volks-Intelligenz und in allgemeiner Bildung nur neue Keime zu Revolutionen erblicken. Sie mögen sich beruhigen. Wir schleudern keine Blitze, die blenden, oder tödten. Das Licht des Könnens und Wissens, welches wir verbreiten, wirkt wohlthätig auf Alle, denen es leuchtet, und sie selbst, die des hassen, nehmen an seinen Segnungen Theil. |
mehr Auszüge aus diesem Text hier [pop-up]
nach oben
|
|
|
|
|
|
Johann Heinrich Pierer (1794–1850) im ersten Band der 2. völlig neubearbeiteten Auflage (Universal-Lexicon der Gegenwart und Vergangenheit oder neuestes encyclopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, 1840), Seite XXVII: »Bestimmung des Werks«
Eine Encyklopädie soll ein Werk sein, welches die ganze Summe des Wissens in allen Einzelheiten so weit umfaßt, als dieselbe einem allgemein wissenschaftlich Gebildeten präsumptiv von Wichtigkeit und Interesse sein kann; sie soll die einzelnen Gegenstände nicht in weitläufigen Aufsätzen erschöpfen wollen, sondern nur einen Abriß, ein Bild derselben geben, das hinreicht, sie anschaulich zu machen, sie soll aber auch nicht reine Nomenclatur enthalten, wo die gegebene Erklärung die Sache, welche sie erläutern will, nicht zur Anschauung bringt. |
Vielfach ist es versucht worden, eine alle Gegenstände sämmtlichen Wissens bis in die kleinsten Minutisssima umfassende und erschöpfende Enzyclopädie zu liefern, aber immer ungenügend. Entweder hat man nämlich, wie im Zedler oder in der Ersch=Gruberschen Enzyclopädie, ein bändereiches Werk und darin Monographien einzelner Gegenstände geliefert, darüber aber andre, eben so wichtige Dinge übersehen, oder man hat, wie im Conversations=Lexikon, mehr naheliegende Gegenstände, Bedürfnisse der Zeit und Conversation mit Vorliebe aufgenommen und das eigentlich Wissenschaftliche nur nebenbei behandelt, und so den Inbegriff einer Encyklopädie nur theilweise erfüllt; oder man hat, wie bei dem Liechtenstein=Schiffnerschen Sachwörterbuche […] mehr Worterklärungen gegeben, ohne in das Sachliche tiefer einzudringen. |
Unser Universal=Lexikon soll die richtige Mittelstraße von dem allem halten, es soll die behandelten Gegenstände durch genügende Erklärung zur Anschauung bringen, dagegen sie nicht bis zum Minutissimum verfolgen, also keine ausführlichen Monographien geben, es soll zwar auch diejenigen Gegenstände, über welche die Unterhaltung sich gewöhnlich verbreitet, in seinen Bereich ziehen, aber auch in die Tiefen der Wissenschaften hinabsteigen […]. |
Das Universal=Lexikon ist für alle Stände, die nur irgend Ansprüche auf Bildung machen, bestimmt, und zwar soll es die Gegenstände so weit erläutern, dass sie Jeden in allen denjenigen Fächern völlig befriedigen, welche nicht gerade das Hauptstudium seines Lebens, oder ein beiläufig betriebnes Lieblingsstudium sind. Es wird also den gelehrten Theologen zwar nichts Neues über Dogmatik, Kirchengeschichte u.s.f., den Juristen nichts dergleichen über Rechtsgelehrsamkeit […] lehren, dagegen wird der Theolog und Arzt über alle Gegenstände der Oekonomie und des Krieges, der Techniker über historische Fragen […] gewisse und ihm genügende Auskunft finden u.s.w. u.s.w., zugleich wird es diesen allen auch in ihrer Wissenschaft zur lexikalen Uebesicht dienen, wo sie in unerwarteten Fällen momentane Auskunft holen und gewünschte Notizen finden können. […] Das so eben Gesagte soll aber als Kriterion dienen, um das Aufzunehmende und zu Verwerfende zu bestimmen. […] |
nach oben
|
|
|
|
|
|
Vorrede, gezeichnet »Redaktion
und Verlagshandlung« zum 15. Band der 11. Auflage des »Brockhaus«,
1868
Quelle: http://www.lrz-muenchen.de/~lexika/1005brzitate.html
Das Conversations-Lexikon [hat] die Flüssigmachung und Popularisierung der wissenschaftlichen, künstlerischen und technischen Ergebnisse, nicht für die die geschäftliche Praxis, sondern für die Befriedigung und Förderung der allgemeinen Bildung zur Aufgabe. [...] Denn jene allgemeine Bildung ist nichts Geringeres als die humane Bildung, welche das Individuum innerhalb des Culturlebens seiner Zeit erlangt, die für ihren Ausgangspunkt die Berufsbildung voraussetzt und, wie den intellectuellen so den moralischen Menschen umfassend, als der Quellpunkt socialer und nationaler Kraft und Entwicklung betrachtet werden muß.[...] Den Kreis der Ideen und Thatsachen, wie er sich für den einzelnen unabsehbar in Geist, Geschichte und Natur auseinanderlegt, in begrenztem Rahmen, gleichsam als Mikrokosmos, zur Anschauung zu bringen, nicht zur Lösung eines wissenschaftlichen Problems oder zur Uebung einer Kunstfertigkeit, sondern um den Menschen als solchen mit der Welt, die über seinen alltäglichen Horizont hinausliegt, bekannt zu machen, indem ihm die Einsicht in den Begriff und den organischen Zusammenhang der Dinge, sowie die Uebersicht über das Ganze, wenn nicht erschlossen, so doch erleichtert wird. |
nach oben
|
|
|
|
|
|
Zur sechsten Auflage von Meyers Konversations-Lexikon (1905)
Seitdem aus dem »Konversations-Lexikon«, das nach dem ursprünglichen Wortbegriff nur Stoff und Stütze für die Unterhaltung über »Staats- und gelehrte Sachen« in geselligen Kreisen bieten sollte, ein »Nachschlagewerk des allgemeinen Wissens« geworden ist, sind mit den höhern Ansprüchen auch die Pflichten gestiegen. Das moderne Konversations-Lexikon großen Stils, wie es von den Begründern und Herausgebern des Meyerschen Werkes in jahrzehntelanger Arbeit unter der wachsenden Teilnahme von vielen Hunderttausenden ausgebaut worden ist, hat längst aufgehört, nur ein gefälliges Auskunftsmittel für die Unterhaltung des Laienpublikums zu sein. Ohne jemals die Bedürfnisse und die Aufnahmefähigkeit dieses Publikums, das immer die erste und letzte Voraussetzung eines so umfangreichen Unternehmens bleiben wird, aus den Augen zu verlieren, sind Herausgeber und Redaktion unablässig bemüht gewesen, den Inhalt des Konversations-Lexikons auch gegen die schärfsten Waffen der wissenschaftlichen Kritik hieb- und stichfest zu machen. |
Diese unablässige Arbeit hat uns die Genugtuung verschafft, daß selbst die streng abgeschlossenen Kreise der Gelehrten, die sonst mit vornehmer Geringschätzung auf die Popularisierung der Wissenschaften herabsahen, sich dem Konversations-Lexikon geöffnet haben, weil seine Universalität in der gleichmäßigen Berücksichtigung aller Zweige des menschlichen Wissens, seine Zuverlässigkeit, die peinliche Ordnung in seiner Organisation und die Möglichkeit rascher Orientierung in dem Labyrinth unsers geistigen Schaffens auch dem Spezialisten der Wissenschaft volle Achtung abgerungen haben.
[…] |
Unser Werk hat sich die Aufgabe gestellt, der Vertrauensmann der Familien wie der Gelehrtenwelt zu sein. Es soll seinen Platz in der bürgerlichen Familie wie im Studierzimmer des Gelehrten behaupten, aber auch in den Lesesälen jeder Art zur Benutzung aufliegen und so die Macht und den Trost des Wissens den weitesten Kreisen zugänglich machen. Diese Sendung hat unser Werk zum Teil schon erfüllt; es hat tatsächlich in vielen Hotels und Wirtshäusern, dort in den Lesezimmern, hier an der Wand über den Stammtischen, seinen Ehrenplatz um als oberster Schiedsrichter in allen streitigen Dingen zu walten. […]
|
Der ganze Text des Vorworts [www] bei zeno.org
nach oben
|
|
|
|
|
|
Aus dem Vorwort des Herausgebers zu KNAURs Konversationslexikon A-Z [in einem Band], Berlin 1932
1933 erteilten die nationalsozialistischen Machthaber Friedenthal Schreibverbot. In der Ausgabe 1934 fehlt dann das Vorwort. Friedenthal (1896–1979) emigrierte 1938 nach England. Gemäß Vorwort zu Knaurs Jugendlexikon (1953) hat er die Herausgabe dieses Lexikons übernommen.
Das völlig veränderte Weltbild der Nachkriegszeit fordert eine Neufassung des Wissensstoffes unserer Zeit. Die immer weiter fortschreitende Spezialisierung und Aufteilung aller Fachgebiete macht ein zusammenfassendes Nachschlagewerk zu einem wirklichen Bedürfnis. Diesem soll das vorliegende Konversations-Lexikon Rechnung tragen. Die Konzentrierung auf den Umfang eines Bandes ist hierbei bewußte Beschränkung; sie ermöglichte es mir, toten Wissensstoff beiseitezulassen und, unbelastet von hemmender Tradition, alles für den heutigen Menschen Wichtige herauszuarbeiten. Es war hierbei mein besonderes Bestreben, durch kurze, scharfe Prägung des Textes und anschauliche, übersichtlich gegliederte Fassung des reichen Stoffes ein Werk zu schaffen, das dem Höchstgebildeten wie dem Bildungsbedürftigen zuverlässige Auskunft gibt. […]
Dr. Richard Friedenthal |
nach oben
|
|
|
|
|
|
Die Vorwörter zur Großen
Sowjetischen Enzyklopädie
Deutsche Übersetzung der Vorwörter der drei Auflagen von 1926,
1949 (beschlossen), 1966 (beschlossen).
BSE [pdf; 48kB]
Die BSE 1949–1957 ist eingescannt! Hier der Link [externe Site in neuem Fenster]
nach oben
|
|
|
|
|